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Unsicherheit. Der normale Behördenweg sah vor, Gideon Lambert brieflich zu benachrichtigen. Sein Instinkt riet ihm von dieser langwierigen Vorgehensweise ab, meldete Gefahr. Für diesen Fall hatte er das Ordnungsamt einzubeziehen. Frantz verabschiedete Doktor Abel und zog seinen langen Wollmantel über.
13
Bornmeier machte einen skeptischen Eindruck. Als der Staatsanwalt vom Grund des Besuches erfuhr, wollte er Joshua sofort abweisen. Aber die Hartnäckigkeit des Polizisten imponierte ihm. Geduldig hörte er sich Trempes Argumentation an.
»Zugegeben, einige Aspekte sind in der Tat dubios. Aber, um ehrlich zu sein, reicht es mir nicht. Außerdem«, er deutete mit seinen schlanken, langen Fingern auf eine Kladde vor ihm, »spricht der Bericht der Kriminaltechnik eine deutliche Sprache. Auf der Spritze und an diesem Löffel befinden sich ausschließlich die Fingerabdrücke des Opfers. Dazu der Obduktionsbericht.«
»Wenn Sie mir nicht glauben«, unterbrach Joshua den Staatsanwalt wütend und ein wenig zu laut, »dann fragen Sie doch den Kollegen Seifert vom KK 11. Stachinsky war kein Fixer, die Sache stinkt doch zum Himmel. Dazu der fast identische Fall aus Krefeld. Halten Sie das für Zufall?«
»Warum nicht? So selten ist diese Todesursache hierzulande nicht. Aufgrund der Hepatitis-Erkrankung werden wir die Akten an die Gesundheitsbehörde weiterreichen.«
Bornmeier beugte sich vor, seine Augen fixierten Joshua.
»Wie weit sind Sie eigentlich bei der Bankraubserie?«
Joshua biss die Zähne zusammen und nickte stumm. Anschließend stand er auf und verließ mit einem einsilbigen Gruß das Büro.
Er bemühte sich um Objektivität, versuchte die Sichtweise Bornmeiers zu verstehen. Joshua musste sich eingestehen, dass dem Gerüst seiner Zweifel ein Motiv als Fundament fehlte. Ziellos schlenderte er über kalte Gerichtsflure. Hatte sein Vater recht? War er tatsächlich manchmal zu voreilig? Suchte er in allem, was nicht sofort erklärbar war, eine Straftat? In einer Glastür betrachtete er für einige Sekunden sein Spiegelbild. Der Pullover hatte seine besten Tage lange hinter sich, die Kratzer auf seiner Lederjacke wirkten wie eine Schienenkarte der Bahn und die Rasur war vorgestern bereits überfällig. Würde Bornmeier sich von Äußerlichkeiten beeinflussen lassen? Joshua zog einen kleinen Zettel aus seiner Jeans und wählte die Handynummer. Zwanzig Minuten später suchte er erfolglos einen Parkplatz vor dem Gebäude der Universitätsverwaltung. Kurzerhand stellte er den alten Golf auf dem Gehweg ab und ging in die Richtung der Parkbank, an der er Rebecca treffen wollte. Schon aus der Ferne sah er die junge Frau mit dem hüftlangen, schwarzen Haar in ein reges Gespräch mit einem älteren Herrn verwickelt. Einige Meter entfernt blieb er stehen. Auf längere Wartezeit gefasst, zog er den Tabakbeutel aus der Innentasche seiner Jacke. Das Gespräch wurde lauter. Während Joshua die Zigarette anzündete, drangen Wortfetzen zu ihm herüber. Sie sprachen über Markus Stachinsky, Joshua wurde hellhörig. Langsam ging er auf sie zu, bewahrte aber immer noch einen höflichen Abstand. Der Mann warf ihm einen misstrauischen Blick entgegen. Seine graublauen Augen strahlten Kälte und Zorn aus. Eine dunkle Wolke schob sich vor die Sonne.
»Was denkt die Polizei?
«, hörte er den Mann fragen. Es war wie ein Stichwort. Joshua trat zu den beiden und hielt dem Mann seinen Dienstausweis hin. Ein kurzer Ruck ging durch dessen breite Schultern. Für den Bruchteil einer Sekunde schien er die Flucht ergreifen zu wollen. Joshua wollte zu einer Frage ansetzen, als die Studentin ihm zuvorkam.
»Das ist Herr Stachinsky, der Vater von Markus.«
»Thomas Stachinsky«, stellte er sich vor und ließ seine Hände in den Manteltaschen. Seine Stimme hatte einen dunklen Klang. Missbilligend sah der Hüne auf Joshua herab.
»Seit wann sind Sie in Deutschland?«
»Das ist unwichtig. Haben Sie den Mörder meines Sohnes?«
Seine Worte hatten den Rhythmus eines Befehls. Joshua fühlte sich bedrängt. Aber es war der falsche Augenblick, seine Position herauszustellen, er benötigte Informationen. War es der Glaube an seinen Sohn, der den Vater von einer Gewalttat überzeugte?
»Wir haben einen Obduktionsbericht. Demzufolge ist Ihr Sohn an einer Überdosis Rauschgift gestorben, Herr Stachinsky.«
Die Miene Stachinskys verfinsterte sich zusehends.
»Mein Sohn nahm keine Drogen. Das Zeug muss ihm jemand verabreicht
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