Flatline
gebürstetem Aluminium neben ihm.
Vier Minuten später öffnete Frau Abel die Tür der Villa in Kaiserswerth und atmete tief durch.
»Guten Tag Frau Abel, ich muss dringend Ihren Mann sprechen.«
»Wir sitzen gerade zu Tisch. Ab 15 Uhr ist mein Mann in der Praxis für Sie zu sprechen.«
Die Haustür schlug gegen Joshuas linken Fuß.
»Wie ich bereits sagte, ist es dringend. Richten Sie Ihrem Mann bitte aus, er möchte sich um 15 Uhr in meinem Büro melden«, Joshua überreichte der verdutzten Frau eine Visitenkarte, »bei Nichterscheinen lasse ich ihn abholen. Schönen Tag noch, Frau Abel.«
Joshua wandte sich ab und lief zum Wagen.
»In Ordnung, kommen Sie rein.«
Es klang so resolut wie eine Anweisung. Joshua glaubte den Grund zu kennen, weshalb Abel so viel Zeit wie möglich in der Praxis und dem Labor zubrachte. Im Vorübergehen bedachte er die Hausherrin mit einem freundlichen Gruß. Joshua erahnte die Wut hinter den schmalen Augen. Das in mehreren Schichten aufgetragene Make-up verlieh ihren Wangen die matte Ausstrahlung eines alten Fensterleders. Justus Abel betrat die Diele. Vor seiner Brust hing eine dunkelrote Stoffserviette.
»Darf ich erfahren, was so dringend ist, dass Sie unsere Mahlzeit stören?«
Frau Abel trat neben ihren Mann und stemmte zur Unterstützung seiner Worte die Hände in die Hüften.
»Bei unserem letzten Gespräch haben Sie mir nicht die Wahrheit gesagt, Herr Doktor.«
»Jetzt wird der auch noch unverschämt«, zischte die Gastgeberin. Joshua blieb unbeeindruckt. Seine Augen fixierten Justus Abel, nahmen eine leichte Unsicherheit wahr.
»Ich weiß zwar nicht, wovon Sie sprechen, aber bitte, gehen wir in mein Arbeitszimmer.«
Abels Frau bedachte ihn mit einem empörten Blick.
»Ich bin sicher, die Unklarheiten werden schnell beseitigt sein, Liebling.«
Dem Büro schloss sich ein großer Wintergarten an. Dutzende von Palmen und Kakteen verliehen dem Raum ein südländisches Flair. Mittendrin thronte ein farbenfroher Papagei. Den Kopf neugierig gedreht, schien er den Gast begrüßen zu wollen.
»Ich bin sehr gespannt, Herr Trempe.«
Joshua wunderte sich über die Selbstsicherheit Abels.
»Bei unserem letzten Gespräch behaupteten Sie, keine Probanden zu benötigen. Dies entspricht nach unseren Ermittlungen nicht der Wahrheit.«
Abels lässige, joviale Mimik wich. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Finger ineinander. Die Lippen zusammengepresst, überdachte er die Antwort. »Miss Marple ist schön«, behauptete der Papagei krächzend.
»Das ist eine heikle Angelegenheit, Herr Trempe. Ich bin nicht nur forschend tätig, sondern auch praktizierender Arzt.«
Abel machte eine Pause, als hielte er diese Erklärung für völlig ausreichend. Joshua entzog sich der tiefere Sinn der Antwort. Er fand diese Konstellation eher praktisch als hinderlich. Abel bemerkte die Zweifel des Ermittlers.
»Es kommt immer wieder vor, dass Behandlungen nicht zum gewünschten Erfolg führen oder sich für den Patienten scheinbar unnötig in die Länge ziehen. Diese Patienten wechseln dann den Arzt. Da das allen Ärzten passiert, handelt es sich um eine ausgeglichene Fluktuation. Wenn aber herauskommen sollte, dass ich forschend tätig bin und für diese Zwecke Probanden einstelle, bekommen diese Patienten den Verdacht, solche zu sein. Es würde sich wie ein Lauffeuer herumsprechen, innerhalb kürzester Zeit könnte ich die Praxis schließen. Können Sie das verstehen?«
Joshua fragte sich, ob er Vertrauen zu einem Arzt hätte, von dem er wüsste, dass dieser medizinische Tests durchführte. Obwohl er Abels Sorge nachvollziehen konnte, wurde Joshua wütend. Er hasste es, wenn man ihn anlog.
»Herr Doktor Abel, ich bin Polizist und keiner Ihrer Patienten. Meine Aufgabe ist es, eine Serie von Morden aufzuklären und nicht, Ihre medizinischen Fähigkeiten zu beurteilen.«
Abel drehte den Kopf zur Seite. Scheinbar gedankenlos betrachtete er die Palmen. Eindringende Sonnenstrahlen sorgten für tanzende Schatten auf dem hellen Steinfußboden.
»Ich hätte es Ihnen sagen sollen. Tut mir leid. Aber glauben Sie mir, es hat nichts mit Ihrem Fall zu tun. Gideon Lambert war ein ganz normaler Patient. Mit der Ausnahme vielleicht, dass ich ihn und seine Familie schon sehr lange kenne.«
Joshua kam es vor, als betrachte er sein Gegenüber durch einen halbdurchsichtigen Nebel. Einen Nebel, der Wahrheiten verzerrte und die Wirklichkeit verschwommen zu erkennen gab. Er vermochte den Mediziner
Weitere Kostenlose Bücher