Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flatline

Flatline

Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
Vom Netzwerk:
Joshua fehlte der Optimismus, diesen Gedanken ernsthaft anzunehmen. Stachinsky war clever genug gewesen, sich den Ermittlungen seines Vaters zu entziehen. Joshua konnte sich ein derart dilettantisches Verhalten Stachinskys nicht vorstellen. Gegen ihn lag nichts vor, was er vermutlich wusste. Stachinsky hätte Fahnenbruck unbemerkt töten und sich anschließend nach Argentinien absetzen können.
    Joshua wusste nichts über ihn. Was für ein Mensch war er? Wie ging er vor? Er bräuchte so was wie ein Profil von Stachinsky. Sein Vater fiel ihm ein. Kein anderer hatte sich wohl so ausgiebig mit einer Tat Stachinskys beschäftigt wie er. Es blieben noch zwei Stunden bis zum nächsten Treffen der SoKo. Joshua nahm seine alte Lederjacke vom Haken.
     
     

34
    Den Besuch bei seinen Eltern verschob Joshua zunächst. Er parkte seinen Wagen vor der Uniklinik. In diesem Augenblick kamen ihm die Morde, die Ermittlungen, einfach alles, unglaublich nebensächlich vor.
    Joshua musste sich ein Haarnetz überziehen, einen grünen Kittel tragen und einen Mundschutz benutzen. Corinna saß neben dem Krankenbett. Ihre Augen waren rot gerändert. Mit beiden Händen umfasste sie Jacks Linke. Es wirkte so, als wolle sie ihrem Mann einen Teil ihres Lebens übertragen, ihm Kraft geben, die kaum für sie selber reichte. Joshua begrüßte sie mit einem leichten Kopfnicken. Sein Handrücken berührte sanft ihre Wange. Corinna versuchte ein Lächeln, es war ihr anzusehen, wie schwer ihr das fiel. Jack hatte die Augen geschlossen, die Stirn war feucht.
    »Er hat die Operation gut überstanden, sagt Doktor Mwandala«, flüsterte Corinna.
    Joshuas Blicke ruhten auf Jack. Ein dünner Schlauch gabelte sich und endete in seiner Nase. Über Kanülen und weitere Schläuche war er mit Automaten verbunden. Schräg hinter ihm befand sich ein kleiner Monitor. Die grüne Linie machte den Herzschlag sichtbar. Monoton glitten kleine Gebilde über den Schirm. Sie wirkten wie eine Gebirgskette mit schroffen Konturen und steil abfallenden Hängen.
    »Kann er uns verstehen?«
    »Ich weiß nicht, aber ich rede mit ihm. Man sagt, Komapatienten würden Stimmen wahrnehmen. Tief in ihrem Innern.«
    Joshua bekam zuerst kein Wort heraus, er schämte sich, im Beisein von Corinna mit einem Schlafenden zu reden. Sie spürte die Unsicherheit Joshuas. Leise sprach sie auf Jack ein, erzählte ihm von seinem Freund, der neben dem Bett saß.
    Bevor Joshua ging, nahm er Jacks Hand und wünschte ihm, er möge bald gesund sein. Die Worte stolperten mühevoll durch zitternde Lippen.
    Unterwegs dachte Joshua an die Gespräche mit dem Virologen und Eugen Strietzel. Es gab eine Art Impfstoff, den vermutlich nur ein Mensch kennen würde. FahnenbrucksLabor, Strietzel hatte alles halbwegs Verdächtige mitnehmen lassen. Falls Jonas Fahnenbruck der gesuchte Täter war, musste Strietzel diesen Impfstoff finden. Dass er selbst dann noch so weit von Jacks Rettung entfernt war, wie die Sommersonne vom Schneeregen, verdrängte Joshua. In seiner Jugend hatte er immer den fünften und sechsten Schritt im Voraus überdacht, schuf wahre Gedankenschlösser, die regelmäßig  nach der ersten Unregelmäßigkeit zusammenbrachen. Sein Vater sagte einmal: Denke nicht drei Schritte in die gleiche Richtung, es raubt dir die Möglichkeit, rechtzeitig abzubiegen.
     
    Auf dem Weg zu seinen Eltern beschlich Joshua das Gefühl, in eine Sackgasse abgebogen zu sein. Der letzte Brief Stachinskys aus Buenos Aires kam erst vor drei Wochen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Vater des zweiten Opfers erst wenige Tage in Deutschland. Sollte es ihm in dieser kurzen Zeit gelungen sein, den Mörder seines Sohnes ausfindig zu machen? Der Gedanke legte sich wie eine kalte Hand um seine Kehle. Mit dem Tod Fahnenbrucks gab es für Jack keine Hoffnung mehr. Aber Fahnenbruck war nicht alleine, es muss Hintermänner geben, vernahm Joshua eine Stimme aus der Tiefe seines Bewusstseins.
    Medizinische Forschungen, Dr. Justus Abel.
    Joshua hatte die Stadt schon fast hinter sich, als er ohne den Blinker zu setzen den Golf in die Bucht der Bushaltestelle zog und das Lenkrad herumriss. Bremsen kreischten, ein Taxifahrer drohte wild gestikulierend mit der Faust.
    Joshua fuhr direkt zur Praxis durch, parkte den Wagen auf dem Bürgersteig vor der Eingangstür. Als er die Klinke heruntergedrückt hatte, prallte sein Körper gegen die verschlossene Tür. Mittagspause, von 12-15 Uhr, verkündete das Schild aus

Weitere Kostenlose Bücher