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gelegt hatte, atmete er tief durch.
»Das sind die Bestellungen des Labors für den Zeitraum der letzten drei Monate. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich Ihnen das erklären soll. Aber das alles«, er schlug wütend mit der Hand auf die Unterlagen, »wird garantiert nicht für die Entwicklung einer Pollencreme benötigt. Ich denke, Herr Doktor Sänger wird sich dem Aufsichtsrat erklären müssen.«
»Wusste er davon?«
Joshua hoffte inständig auf eine positive Antwort. Für den Haftrichter würde es nicht reichen, aber sie könnten Sänger zumindest zu einer Vernehmung mitnehmen. Weingartens Mimik nagte an Joshuas Hoffnung.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber er trägt die Verantwortung. Normalerweise fällt dieses Labor in meinen Zuständigkeitsbereich. Aber nach dem Streit über die EinstellungFahnenbrucks habe ich es ihm übertragen. Er stimmte übrigens bereitwillig zu.«
»Danke, Herr Doktor Weingarten«, Joshua stand auf und reichte ihm die Hand über den Schreibtisch. Karin zögerte, folgte Joshua aber schließlich. Auf dem Flur zischte sie ihn an.
»Kannst du mir mal sagen, was das soll? Ich war noch nicht fertig.«
»Wir müssen Sänger finden, ganz schnell!«
»Richtig! Und wo?«
Joshua zögerte, ärgerte sich über die Unruhe, die ihn zunehmend antrieb. Weingarten hätte ihnen womöglich sagen können, wo er sich aufhielt. Sänger hatte alle Termine abgesagt. Bereitete er seine Flucht vor? Vom Ende des Ganges war das Geräusch einer sich öffnenden Fahrstuhltür zu hören.
»Guten Tag, Herr Doktor Sänger!«
Ihre Köpfe schossen gleichzeitig herum. Ein junges Mädchen kam auf sie zu. In den Händen trug es einen Stapel Akten. Die Aufzugtür schloss surrend. Karin und Joshua rannten an ihr vorbei zu den Fahrstühlen. Joshuas Finger klopften fieberhaft auf den Schalter mit dem Abwärtspfeil. Der nächste der drei Aufzüge machte einen Zwischenstopp in der siebten Etage. Joshua zog am Arm seiner Kollegin und rannte zum Treppenhaus.
Unten angekommen, hatte Joshua eine Etage Vorsprung vor seiner Kollegin. Er rannte zum Empfang.
»Ist Doktor Sänger hier vorbeigekommen?«
»Nein«, die Dame sah ihn verwundert an. Karin stand jetzt neben ihm, sie atmete sehr schnell.
»Gibt es hier eine Tiefgarage?«, Joshua wurde unangemessen laut. Die Augen der Empfangsdame verfinsterten sich.
»Ja, aber …«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, stürzten sie durch die Drehtür ins Freie. Links neben dem Gebäude erkannte Joshua
eine Betonmauer, davor eine Ampelanlage. Sofort rannten sie dorthin. Karins Gesicht färbte sich rot. Sie waren zwanzig Meter von der Tiefgaragenauffahrt entfernt, als eine dunkle Limousine auftauchte und mit heulendem Motor über den Parkplatz schoss. Joshua stoppte abrupt, Karin lief ihm ins Kreuz. Joshua rannte nach kurzem Zögern noch einige Meter in die Richtung, in der ihr Wagen stand. Als die Limousine auf die Hauptstraße bog, gab er auf. Karin stieß den Atem aus ihrem weit geöffneten Mund und nahm sich vor, wieder regelmäßig zu joggen. Als sie sich aufrecht stellte, bewunderte sie ihren Kollegen. Joshua wirkte auf sie, als habe er bestenfalls einen kleinen Spaziergang hinter sich. Nicht der kleinste Schweißtropfen war zu sehen.
»Fahndung?«
Joshua schüttelte den Kopf. Sie hatten nichts gegen Sänger in der Hand, lediglich einen Anfangsverdacht. Dass er in der Firma sein eigenes Süppchen kochte, war nicht strafbar. Joshua wurde ein anderer Aspekt schmerzhaft bewusst.
»Wenn wir Sänger festnehmen, kostet es Jack das Leben. Nur er kann uns zum Mörder führen. Wir werden uns tagelang mit seinen Anwälten beschäftigen, so viel Zeit bleibt ihm nicht.«
Karin nickte. Joshuas Optimismus tat ihr weh. Sie sah keine Möglichkeit, Jacks Leben zu retten. Ihre einzige Hoffnung galt den Ärzten der Uniklinik. Die beständig steigende Anspannung ihres Kollegen war ihr nicht verborgen geblieben. Joshuas Befangenheit bereitete ihr Kopfzerbrechen. Um seinen Freund zu retten, würde er nichts unversucht lassen. In solchen Situationen konnte er äußerst impulsiv reagieren.
»Wir brauchen eine Durchsuchungsanordnung für Sängers Büro, so schnell wie möglich!«
Joshua zog das Handy aus der Lederjacke und telefonierte mit Staatsanwalt Bornmeier. Obwohl er sich sichtlich zur Ruhe zwang, waren die Worte von einer Eindringlichkeit geprägt, die nicht dazu angetan war, einen Wunsch erfüllt zu bekommen.
»Doktor Sänger hat Fahnenbruck gegen den Willen der Kollegen
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