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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bradley Alan
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kletterte unbeholfen vom Kutschbock und schirrte Gry umständlich aus. Ich nutzte die Gelegenheit, die Umgebung in aller Ruhe auf mich wirken zu lassen.
    Hier und da wuchsen Brennnesselstauden und büschelweise Mohnblumen, die in den schrägen Strahlen der Nachmittagssonne leuchteten. Das hohe Gras war mir noch nie so grün vorgekommen. Auch Gry war das nicht entgangen, denn er machte sich sofort über die saftigen Halme her.

    Da ruckelte der Wohnwagen plötzlich wie von selbst, und ich hörte einen leisen Aufschrei.
    Ich sprang vom Kutschbock und lief um den Wagen herum.
    Ich hatte den Zustand der Alten falsch eingeschätzt. Sie war zu Boden gesunken und klammerte sich an die Speichen eines der großen Holzräder. Dann bekam sie wieder einen Hustenanfall, schlimmer als die zuvor.
    »Sie sind erschöpft«, sagte ich. »Sie müssen sich hinlegen.«
    Sie nuschelte etwas und schloss die Augen. Ich kletterte auf die Deichsel des Wohnwagens und öffnete die Tür.
    Was ich auch erwartet haben mochte – das bestimmt nicht.
    Das Innere des Wohnwagens glich einem Märchen auf Rädern. Obwohl ich nur einen flüchtigen Blick hineinwarf, fiel mir sofort der wunderschöne gusseiserne Ofen im Königin-Anne-Stil auf, darüber ein Regal mit blau gemustertem chinesischem Porzellan. Heißes Wasser und Tee, dachte ich. Das hilft in allen Lebenslagen. Vor den Fenstern hingen Spitzenvorhänge, aus denen sich im Notfall Verbände reißen ließen, und die beiden silbernen Petroleumlampen mit den roten Glasaufsätzen an der Wand würden genug Wärme und auch eine Flamme zur Sterilisierung von Nadeln liefern. Meine Ausbildung zur Pfadfinderin, so kurz sie auch gewesen sein mochte, war nicht umsonst gewesen. Hinter einem geschnitzten Paravent stand ein geräumiges Etagenbett, das fast so breit war wie der ganze Wagen.
    Ich ging wieder nach draußen, half der Alten auf die Beine und legte mir ihren Arm um die Schulter.
    »Ich habe die Treppe runtergeklappt. Ich bringe Sie ins Bett.«
    Es gelang mir, sie auf die Vorderseite des Wagens zu führen und mittels Schieben und Ziehen durch die Tür zu bugsieren. Die Frau schien dabei wieder in ihrer eigenen Welt zu weilen und kaum wahrzunehmen, was um sie herum vorging – und mich auch nicht. Als sie dann aber lag und ich sie zugedeckt hatte, kam sie wieder einigermaßen zu sich.

    »Ich hole einen Arzt«, sagte ich. Gladys stand noch hinter dem Gemeindesaal. Ich musste also von Buckshaw bis ins Dorf zu Fuß laufen.
    »Bitte nicht.« Die Alte packte meine Hand. »Mach mir einen schönen Tee, und lass mich dann in Frieden. Ich brauche nur ein bisschen Schlaf.«
    Sie sah meine zweifelnde Miene.
    »Na schön, hol die Medizin. Ich probiere sie mal aus. Ein Löffel liegt drüben auf dem Tisch.«
    Ich fischte einen Löffel aus einem Berg ramponierten Silberbestecks und füllte ihn mit dem zähen Hustensirup.
    »Schnabel auf, mein Vögelchen«, sagte ich. Mit diesem Spruch zwang mich Mrs Mullet immer, die abscheulichen Mixturen zu schlucken, mit denen unser Vater seine Töchter behandelt wissen wollte. Die Alte heftete den Blick auf mich – war es Einbildung, oder schaute sie wirklich ein bisschen freundlicher drein? – und öffnete brav den Mund, sodass ich den randvollen Löffel hineinschieben konnte.
    »Wohl bekomm’s!«, vollendete ich das kleine Ritual, dann wandte ich mich dem niedlichen Öfchen zu. Peinlicherweise hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie man so ein Ding in Gang brachte. Ebenso gut hätte man mich auffordern können, die Kessel auf der Queen Elizabeth zu heizen.
    »Nicht den«, sagte die Alte, der mein Zögern aufgefallen war. »Mach draußen Feuer.«
    Unten an der Treppe blieb ich stehen und sah mich um. Der Holunder wucherte überall, aber die Zweige ließen sich nicht einfach so abbrechen.
    Sie sind noch voller Saft und viel zu biegsam, dachte ich. Erst als ich mit meinem ganzen Gewicht auf ein paar untere Äste sprang, hatte ich Erfolg.
    Bald hatte ich genug Zweige und Äste zusammen, um ein ordentliches Lagerfeuer zu entfachen.
    Voller Hoffnung und mit dem alten Pfadfinderinnengebet
auf den Lippen (»Geh schon an, verdammt noch mal!«), rieb ich ein Streichholz an. Die Schachtel hatte ich im Schrank des Wohnwagens gefunden. Als die Flamme die Zweige streifte, zischte sie leise und erlosch. Dem nächsten Streichholz erging es nicht besser.
    Da Geduld nicht eben meine Stärke ist, stieß ich einen maßvollen Fluch aus.
    Zu Hause in meinem Chemielabor würde ich wie jeder

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