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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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man ihn seiner geringen Körpergröße wegen nicht unterschätzte.
    »Der geht’s auch gut, vielen Dank«, erwiderte ich. »Und ihr Teint war heute Vormittag noch durchaus zufriedenstellend.«
    Ein »leider!« verkniff ich mir.
    »Ach übrigens, Max«, kam ich seiner nächsten Frage zuvor, »glauben Sie, ich kann irgendwann die hübsche kleine Toccata von Paradisi spielen lernen?«
    »Nein«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. »Du hast nicht die Hände einer großen Künstlerin. Du hast die Hände einer Giftmischerin.«
    Ich grinste. Das war unser Privatscherz. Damit war auch geklärt, dass er noch nichts von dem Mord auf Buckshaw erfahren hatte.

    »Und die andere?«, fragte er. »Daphne … deine langsame Schwester?«
    »Langsam« bezog sich auf Daffys musikalische Fortschritte beziehungsweise das Ausbleiben derselben. Klavierspielen bedeutete in ihrem Fall das aussichtslose Unterfangen, ihre widerspenstigen Finger auf Tasten zu setzen, die vor ihrer Berührung zurückzuschrecken schienen. Daffys Kampf mit dem Instrument glich dem Kampf der Henne gegen den Fuchs, eine aussichtslose Schlacht, die stets mit Tränen endete. Trotzdem wurde der Krieg fortgeführt, weil Vater darauf bestand.
    Als ich Daphne einmal schluchzend mit dem Kopf auf dem geschlossenen Flügel angetroffen hatte, hatte ich geraunt: »Gib’s auf, Daff!«, und sie war wie eine Kampfhenne auf mich losgeflattert.
    Ich hatte es sogar mit Ermutigung versucht. Jedes Mal, wenn ich sie auf dem Broadwood spielen hörte, begab ich mich in den Salon, lehnte mich an den Flügel und ließ den Blick in die Ferne schweifen, als verzückte mich ihr Spiel über die Maßen. Normalerweise strafte sie mich mit Nichtachtung, aber als ich mich einmal äußerte: »Was für ein wunderschönes Stück! Wie heißt es denn?«, hätte sie mir beinahe den Deckel auf die Pfoten geknallt.
    »Das ist die G-Dur Tonleiter!«, hatte sie gekreischt und war hinausgerannt.
    Es ist nicht immer leicht, auf Buckshaw zu leben.
    »Der geht’s prima«, erwiderte ich. »Verschlingt Dickens wie eine Verrückte. Ansonsten kriegt man kein Wort aus ihr raus.«
    »Ach ja«, seufzte Maximilian, »der gute alte Dickens.«
    Da ihm kein neues Thema einzufallen schien, nutzte ich die Pause.
    »Sagen Sie, Max, Sie sind doch ein Mann von Welt …«
    Er strahlte und richtete sich zu voller Größe auf.

    »Nicht nur ein Mann von Welt, sondern ein Boulevardier«, sagte er.
    »Richtig.« Was mochte dieser Ausdruck bedeuten? »Sind Sie schon mal in Stavanger gewesen?« So konnte ich mir vielleicht ersparen, im Atlas nachzuschlagen.
    »Meinst du Stavanger in Norwegen?«
    »Volltreffer!«, hätte ich fast gejubelt. Horace Bonepenny war in Norwegen gewesen! Ich holte tief Luft, um mich wieder zu fassen, und hoffte, dass Max es für Ungeduld hielt.
    »Selbstverständlich«, sagte ich herablassend. »Oder gibt es noch andere Stavangers?«
    Vielleicht glaubte er, ich wollte ihn auf den Arm nehmen, denn er kniff die Augen zusammen, und ein kalter Luftzug streifte mich, als die Gewitterwolken eines Maximilian-Wutanfalls die Sonne verdunkelten, aber dann kicherte er nur belustigt wie Quellwasser, das in ein Glas plätschert.
    »Über Stavanger bin ich seinerzeit nach Trondheim gereist, wo ich Griegs Klavierkonzert in a-Moll gespielt habe. Grieg war übrigens ebenso Schotte wie Norweger. Sein Großvater kam aus Aberdeen, ist aber seinerzeit nach der Schlacht von Culloden ausgewandert. Hinterher hat er sich bestimmt gefragt, ob er’s wirklich besser getroffen hat, als er die Firths gegen die Fjorde eintauschte.
    Das Konzert in Trondheim war ein großer Erfolg, muss ich sagen … freundliche Kritiker, nettes Publikum. Leider haben die Norweger kein Gespür für ihre eigenen Komponisten. Ich habe auch Scarlatti gespielt, um ein bisschen italienische Sonne in diese verschneite nordische Gegend zu bringen, und trotzdem musste ich in der Pause hören, wie ein Handlungsreisender aus Dublin seinem Freund zugeflüstert hat: ›Also mir kommt das alles spanisch vor, Thor.‹«
    Ich lächelte höflich, obwohl ich diese uralte Schnurre schon mindestens fünfundvierzigmal gehört hatte.

    »Aber das war natürlich noch in der guten alten Zeit vor dem Krieg. Stavanger! Selbstverständlich bin ich dort gewesen. Wie kommst du darauf?«
    »Wie sind Sie dort hingekommen? Mit dem Schiff?«
    In Stavanger war Horace Bonepenny noch am Leben gewesen, in England war er gestorben, und jetzt wollte ich herausfinden, wo er sich

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