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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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sonst muss ich dich womöglich noch einbuchten.«
    Ich brachte ein zaghaftes Lächeln zustande, das er mir mit Zins und Zinseszins zurückzahlte.
    Während meiner Darbietung waren mehrere Polizisten auf einen Tee und ein belegtes Brötchen hereingekommen, und jeder hatte mir stumm, aber aufmunternd zugelächelt. Wenigstens hatten sie keine Fragen gestellt.
    »Darf ich bitte meinen Vater besuchen?«, fragte ich. »Er
heißt Colonel de Luce, und ich glaube, er ist hier bei Ihnen eingesperrt.«
    Wachtmeister Glossops Miene wurde mit einem Mal undurchdringlich, und ich merkte, dass ich voreilig gewesen war. Nunmehr saß ich dem Beamten Glossop gegenüber.
    »Wart mal«, sagte er und verschwand in einem engen Flur, an dessen Ende ich ein schwarzes Gitter zu erkennen glaubte.
    Ich sah mich rasch um. Ich saß in einem trostlosen kleinen Raum, dessen Einrichtung so schäbig wirkte, als hätte man sie einem Trödler direkt vom Lastwagen herunter abgekauft. Die Stuhlbeine waren zerschrammt und abgestoßen, als hätten Hunderte von Beamten sie schon seit hundert Jahren mit Füßen getreten.
    In dem vergeblichen Versuch, das Ganze freundlicher zu gestalten, hatte jemand den kleinen Küchenschrank apfelgrün gestrichen, aber die Spüle war ein mit Rostflecken übersätes Relikt, das aussah wie eine Leihgabe aus dem Kreisgefängnis. Gesprungene Tassen und krakelierte Untertassen standen traurig Wange an Wange auf einem Abtropfbrett, und zum ersten Mal fiel mir auf, dass die Fensterstreben in Wirklichkeit halbherzig verkleidete Gitterstäbe waren. Ein eigenartiger, herber Geruch hing in der Luft, das war mir gleich beim Hereinkommen aufgefallen. Es miefte, als wäre ein Glas mit Sardellenpaste, das jemand vor Jahren ganz hinten im Regal vergessen hatte, plötzlich aufgegangen.
    Ein Lied aus der Oper Die Piraten von Penzance kam mir in den Sinn. »Polizist sein ist wahrhaftig kein Genuss«, wie ich es mal in einer Aufführung der D’Oyly Carte Opera Company im Radio gehört hatte, und wie immer hatten Gilbert und Sullivan so was von Recht.
    Sollte ich vielleicht lieber abhauen? Meine Idee war vielleicht gar zu tollkühn gewesen, eher aus dem Instinkt, Vater zu beschützen, entstanden und einem prähistorischen Winkel meines Gehirns entsprungen. Steh einfach auf, und geh
zur Tür hinaus, sagte ich mir. Niemand wird sich etwas dabei denken.
    Ich lauschte und legte dabei den Kopf wie Maximilian ein wenig schief, um mein ohnehin scharfes Gehör noch anzuspitzen. Irgendwo brummten Bassstimmen wie die Bewohner eines fernen Bienenkorbs.
    Ich setzte behutsam einen Fuß vor den anderen, wie eine empfindsame Señorita beim Tango, und blieb abrupt an der Tür stehen. Von dort, wo ich stand, konnte ich nur eine Ecke des Schreibtischs im Vorzimmer erkennen, und zu meiner großen Erleichterung lag darauf kein Uniformärmel.
    Ich riskierte noch einen Blick. Der Flur war leer, also schob ich mich im Tangoschritt ungehindert zur Tür und trat ins helle Tageslicht hinaus.
    Obwohl ich nicht eingesperrt gewesen war, kam es mir vor, als sei mir endlich die Flucht gelungen.
    Ich schlenderte zum Fahrradständer. Noch zehn Sekunden, dann würde ich auf und davon sein. Aber da erstarrte ich, als hätte mir jemand einen Eimer Eiswasser über den Kopf gekippt. Gladys war weg! Beinahe hätte ich laut geschrien.
    Vor mir standen immer noch sämtliche Beamtenfahrräder mit ihren amtlichen kleinen Lampen und den behördlich vorgeschriebenen Gepäckträgern - nur Gladys war verschwunden!
    Ich schaute erst in die eine, dann in die andere Richtung, und stellte beklommen fest, dass die Straßen, wenn man zu Fuß unterwegs war, mit einem Mal ganz anders aussahen. In welche Richtung ging es nach Hause? Wo lang ging es zur Landstraße?
    Als hätte ich nicht schon genug Probleme gehabt, zog auch noch ein Gewitter auf. Im Westen brauten sich schwarze Wolken zusammen, und die Wolken, die schon über meinem Kopf dahinjagten, hatten bereits einen unschönen Lilaton angenommen und sahen aus wie Blutergüsse.

    Erst packte mich die Angst, dann wurde ich zornig. Wieso war ich auch so bescheuert gewesen und hatte Gladys nicht angeschlossen? Wie sollte ich jetzt nach Hause kommen? Was sollte jetzt aus der armen Flavia werden?
    Feely hatte mir einmal geraten, in einer Umgebung, in der ich mich nicht auskannte, niemals verunsichert zu wirken, aber wie stellte man das im Falle eines Falles an?
    Darüber dachte ich immer noch nach, als sich eine schwere Hand auf meine Schulter legte

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