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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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auftauchen lassen. Und er hat mir nie gezeigt, wie er das machte.
    Ungefähr zur selben Zeit kam Mr Twining auf den Gedanken, einen Club der Philatelisten zu gründen, denn Briefmarkensammeln gehörte ebenfalls zu seinen Leidenschaften. Er war der Ansicht, dass wir durch das Sammeln, Ordnen und Einsortieren der Marken aus aller Welt ins Album einiges über Geschichte und Erdkunde sowie auch Sorgfalt lernen konnten, ganz zu schweigen davon, dass auch die verschlosseneren Mitglieder des Clubs durch die regelmäßigen Gruppengespräche an Selbstvertrauen gewinnen würden. Da er selbst ein begeisterter Sammler war, ging er davon aus, dass seine Jungen diese Begeisterung mit ihm teilen würden.
    Seine eigene Sammlung, so kam es mir jedenfalls vor, war das achte Weltwunder. Er hatte sich auf britische Marken spezialisiert, mit Schwerpunkt auf Farbvarianten bei der Druckfarbe. Er besaß die untrügliche Fähigkeit, allein anhand der Färbung zu bestimmen, an welchem Tag, ja, um welche Stunde dieses oder jenes Exemplar gedruckt worden war. Indem er die von Marke zu Marke verschiedenen, mikroskopisch kleinen Risse und Abweichungen verglich, die von den Gebrauchsspuren der Druckplatten und der Ausführung des Druckvorgangs herrührten, konnte er erstaunlich viele Aussagen über das jeweilige Stück treffen.
    Die einzelnen Seiten seiner Alben waren meisterlich gestaltet. Diese Farben! Und die Art und Weise, wie sie über die Seite verteilt waren - wie ein impressionistisches Gemälde von William Turner.
    Zuerst kamen natürlich die schwarzen Marken von 1840.
Doch bald wurde das Schwarz durch Braun ersetzt, das Braun durch Rot, das Rot durch Orange, das Orange durch ein leuchtendes Karminrot, und weiter ging es mit Indigo und Venezianisch-Rot in einer Farbenpracht, als wollte man das Aufblühen des Britischen Weltreichs nachempfinden. Was für eine Pracht!«
    Noch nie hatte ich Vater so lebhaft gesehen. Mit einem Mal war er wieder ein Schuljunge, seine strengen Züge waren wie verwandelt, sein Gesicht leuchtete wie ein blankpolierter Apfel. Vater fuhr fort: »Trotz allem besaß Mr Twining nicht die wertvollste Briefmarkensammlung in Greyminster. Diese Ehre gebührte Dr. Kissing, dessen Sammlung, obwohl nicht besonders umfangreich, äußerst erlesen, wenn nicht gar unschätzbar wertvoll war.
    Dr. Kissing kam mitnichten, wie man es vielleicht vom Rektor einer unseren großen Public Schools erwarten würde, aus einer wohlhabenden oder zumindest privilegierten Familie. Von Geburt an Waise, war er bei seinem Großvater aufgewachsen, einem Arbeiter in einer Glockengießerei im Londoner East End, das damals eher für seine bedrückenden Lebensbedingungen als für seinen Wohlstand bekannt war, und eher für seine Verbrechensrate als für seine Bildungsmöglichkeiten.
    Im Alter von achtundvierzig Jahren hatte der Großvater bei einem schlimmen Unfall mit flüssigem Metall den rechten Arm verloren. Da er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich seinen Lebensunterhalt als Bettler auf der Straße zu verdienen, eine Zwangslage, in der er es fast drei Jahre aushielt.
    Fünf Jahre zuvor, im Jahre 1840, war der Londoner Firma Messrs. Perkins, Bacon & Petch vom Schatzamt Ihrer Majestät das Exklusivrecht auf den Druck der britischen Briefmarken zugesprochen worden. ›Dieser gewaltige Ausstoß an Königinnenköpfen‹, wie es Charles Dickens genannt hatte.

    Das Geschäft florierte. Allein in den ersten zwölf Jahren wurden über zwei Millionen Briefmarken gedruckt, von denen die meisten in den Papierkörben dieser Welt landeten.
    Die Druckerei der Firma war in der Fleet Street angesiedelt, und dort fand Dr. Kissings Großvater glücklicherweise eine neue Anstellung als Ausfeger. Er brachte sich bei, wie man einen Besen mit einer Hand wirkungsvoller führt als die meisten Leute mit zweien, und da er großen Wert auf Höflichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit legte, war er schon bald einer der geschätztesten Angestellten der Firma. Dr. Kissing hat mir einmal sogar erzählt, dass der Hauptteilhaber, der alte Joshua Butters Bacon persönlich, seinen Großvater aus Respekt vor seiner früheren Tätigkeit den ›Glöckner‹ zu nennen pflegte.
    Als Dr. Kissing noch klein war, brachte sein Großvater oft ausrangierte Fehldrucke mit nach Hause. Dieses ›Buntpapier‹, wie er es nannte, war oft sein einziges Spielzeug. Er konnte die bunten Papierchen stundenlang immer wieder von Neuem ordnen, nach

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