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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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nichts. Ich schweifte immer wieder ab, meine Gedanken waren so wirr wie die Strohhalme in einem Heuhaufen. Ich musste irgendeinen Katalysator finden, wie es beispielsweise Kirchhoff gelungen war. Er hatte entdeckt, dass in Wasser gekochte Stärke immer noch Stärke blieb; wenn man aber ein paar Tropfen Schwefelsäure hinzugab, wurde die Stärke in Glukose umgewandelt. Ich hatte das Experiment einmal wiederholt, um mich zu vergewissern,
dass es stimmte, und es stimmte tatsächlich. Asche zu Asche, Stärke zu Zucker. Ein Fensterchen zur Schöpfung.
    Ich ging wieder ins Haus, das mir nun seltsam still vorkam. Vor dem Salon blieb ich stehen und lauschte, aber es war nichts zu hören, weder eine klavierspielende Feely noch eine seitenumblätternde Daffy. Ich machte die Tür auf.
    Der Salon war leer. Mir fiel ein, dass meine Schwestern beim Frühstück davon gesprochen hatten, nach Bishop’s Lacey zu spazieren, um ihre Briefe zur Post zu bringen. Abgesehen von Mrs Mullet, die in der Küche werkelte, und Dogger, der sich oben ausruhte, war ich, womöglich zum allerersten Mal, ganz allein auf Buckshaw.
    Um Gesellschaft zu haben, stellte ich das Radio an, und als sich die Röhren erwärmt hatten, erfüllten die Klänge einer Operette das Zimmer. Es war Gilbert und Sullivans Der Mikado, eine meiner Lieblingsoperetten. Wäre es nicht herrlich, hatte ich irgendwann einmal gedacht, wenn Feely, Daffy und ich so glücklich und sorglos sein könnten wie Yum-Yum und ihre beiden Schwestern?
    Schulmädchen bringen frischen Wind,
Kess wie wir Gören nun mal sind
Schocken wir Eltern, Pauker, Kind -
Drei Mädchen aus der Schul’!
    Ich lächelte, als alle drei abwechselnd sangen:
    Alles ist für uns nur ein Spaß.
s’ gibt kein Pardon, wenn es heißt: Gib Gas!
Leben heißt Freude im Übermaß!
Drei Mädchen aus der Schul’!
    Von Musik umfangen, warf ich mich in einen üppig gepolsterten Sessel und ließ die Beine über die Lehne baumeln, nahm
also jene Stellung ein, welche die Natur ureigens für den Musikgenuss vorgesehen hat, und spürte zum ersten Mal seit Tagen, wie sich meine Nackenmuskeln lockerten.
    Ich musste kurz eingeschlafen sein, vielleicht war es auch nur ein Tagtraum gewesen, keine Ahnung, aber als ich hochschreckte, sang der kaiserliche Oberhofscharfrichter gerade:
    Er schnuppert Duft
Von Kerkerluft
    Sofort musste ich wieder an Vater denken, und Tränen schossen mir in die Augen. Wir waren nicht in einer Operette, dachte ich. Das Leben war kein Spaß, es gab nicht nur Freude im Übermaß, und Feely und Daffy und ich waren keine drei kleinen Schulmädchen, sondern drei Schwestern, deren Vater des Mordes beschuldigt wurde. Ich sprang auf und wollte das Radio abstellen, aber als ich schon den Finger auf dem Knopf hatte, verkündete der Scharfrichter unerbittlich aus dem Lautsprecher:
    So wird jeder Kerkergast
Erfahr’n, dass, auch wenn’s verhasst
Die Strafe zum Verbrechen passt
Die Strafe zum Verbrechen passt …
    Dass die Strafe zum Verbrechen passt. Aber klar! Flavia, Flavia, Flavia! Wie konntest du das übersehen?
    Wie eine Stahlkugel, die in eine Kristallglasvase fällt, machte es Klick! und ich wusste so sicher, wie ich meinen eigenen Namen kannte, dass Horace Bonepenny umgebracht worden war.
    Fehlte nur noch eines (na ja, eigentlich zweierlei, höchstens dreierlei), um alles, hübsch verpackt wie eine Pralinenschachtel, Inspektor Hewitt zu präsentieren, mit rotem Schleifchen
drum herum und allem Pipapo. Wenn er meine Geschichte erst einmal gehört hatte, würde er Vater in null Komma nichts laufen lassen. Mrs Mullet war immer noch in der Küche und hatte gerade die Hand in einem Hühnchen.
    »Mrs M«, fragte ich, »darf ich ganz offen mit Ihnen reden?«
    Sie drehte sich um und wischte sich die Hände an der Schürze ab.
    »Aber gewiss doch, Schatz. Machst du das nicht immer?«
    »Es geht um Dogger.«
    Ihr gutmütiges Lächeln gerann, und sie wandte sich wieder ab und machte sich an einem Knäuel Küchenfaden zu schaffen, mit dem sie den Vogel zum Braten zusammenbinden wollte.
    »Heutzutage ist aber auch alles Schund«, brummte sie. »Sogar die olle Schnur. Erst letzte Woche hab ich zu Alf gesagt: ›Der Faden, wo du aus der Schreibwarenhandlung mitgebracht hast … ‹«
    »Bitte, Mrs Mullet«, flehte ich, »ich muss Sie etwas fragen! Es geht um Leben und Tod! Bitte!«
    Sie sah mich über ihre Brille an wie eine Kirchenvorsteherin, und zum ersten Mal überhaupt kam ich mir in ihrer Gegenwart wie ein

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