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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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misstrauisch. Die muffen bestimmt genauso nach Katze wie ich. Damals, in der Kinderlandverschickung, mit sieben oder acht, war das Klo nur dreimal am Tag für jeweils eine halbe Stunde geöffnet. Wir armen Würmer mussten fürs Kacken Schlange stehen, und als man dran war, konnte man nicht und ist mit zehn Kilo steinharter Scheiße nach Hause zurückgefahren. Ist echt wahr. Wer denkt sich so was eigentlich aus? Wusste ich mal, vergessen, zu lange her.
    Ich starre an die Kacheln. Wie sieht das denn eigentlich aus hier? Gesprungen, oder es fehlt eine Ecke, oder die Fugenpaste ist raus, ein Wahnsinn alles, ganz Scharbeutz ist ein einziger Schrotthaufen. Hoffentlich starren auch alle anderen an die Wand und nicht auf meinen ranzigen Schwanz oder meinen rotstichigen Arsch oder mein ungeputztes Maul oder die ungewaschenen Haare oder die ungeschnittenen Fußnägel oder die verschuppten Haare oder die Mitesser oder irgendwas, was mir noch gar nicht aufgefallen ist. Ein tiefempfundenes Gefühl der Peinlichkeit durchrinnt mich.
    Ich ziehe die Vorhaut bis zum Anschlag zurück und seife das Gekröse ein. Vorhaut, was für ein Wort schon wieder. Es gibt hemmende und stimulierende Begriffe. Egal, herrlich, wie sagenhaft gut das tut! Man spürt richtig, wie der Schimmel und die Molke und Ameisensäure keine Chance haben und weichen müssen, die Schweine.

    Morgenandacht. «Jeder Christ ein Gitarrist». (der dumme Peter). «Jesus Christus starb für dich – was tust du für ihn?». (Diakon Steiß). Pastor Schmidt hat ein frisches Oberhemd an, wie es sich gehört. Mir fällt auf, dass er etwas breit in den Hüften ist, seine Frau übrigens auch. Maike, sie stammt von der Nordseeinsel Föhr und kann richtig Friesisch. Friesisch ist kein Dialekt, sondern eine eigene Sprache! Die beiden Kinder sprechen ebenfalls Friesisch. Wenn sich die Pastorenfamilie unbeobachtet wähnt, unterhalten sie sich auf Friesisch. Ich finde das immer sehr schön. Man versteht kein Wort, aber es klingt friedlich und freundlich. Wer so spricht, kann kein Verbrecher sein. Wo sind die Kinder eigentlich? Na ja, schon über achtzehn, die haben bestimmt keinen Bock mehr auf Scharbeutz. Diesmal hält Diakon Steiß die Andacht.
    «Wir singen aus dem Lied Nr.   9 die Strophen 2, 3 und 6.»
    Alles was Odem hat, lobet den Herrn. Halleluhuhuja.
    Steiß bemüht sich, seiner Stimme einen sonoren Klang zu verleihen. Er legt Stimmbänder und Zäpfchen bestimmt jede Nacht in Honig und/oder Whiskey ein, damit es möglichst ölig und sexy klingt. Seit Ewigkeiten gehen Gerüchte um, er habe ständig was am Laufen. Eine Freundin und nebenher noch ein paar Mätressen, je nachdem, wie ihm der Vollbart gewachsen war. Die jeweilige Freundin wird spätestens mit achtzehn ausgemustert und neuer Nachschub aus der nie versiegenden Quelle Konfirmandenlager rekrutiert. Diakon Steiß (mit extra öliger Schmierölstimme):
    «Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Von einer Frau, die Sonja heißt. Sie könnte aber auch Susanne oder Sybille heißen, das spielt keine Rolle. Wenn man sie sieht, kommt einem sofort in den Sinn: Was für eine glückliche Frau! Ihr Ehemann ist gut zu ihr und bringt ordentlich Geld nach Hause, die drei Kinder sind gut erzogen und wohlgeraten, und in ihrem Haus kann man vom Boden essen. Doch der Schein trügt. Nach außen hin ist es so, wie ich gerade beschrieben habe, aber in Wahrheit gibt es jeden Tag Streit und Zank. Der Mann trinkt schon tagsüber, und manchmal rutscht ihm sogar die Hand aus. Die Kinder sind ungezogen und vom Stamme Nimm. Aber darauf kommt keiner, weil sie sich nach außen eine perfekte Maske antrainiert haben. Und wie es dahinter aussieht, wissen nur sie und Gott.»
    Während des Konfirmandenunterrichts quatscht er die Mädchen mit seiner Bumsstimme systematisch gefügig. In den folgenden Jahren: Freizeiten, Jugendchor, Bibelstunden, Gesprächskreise, die Gemeinde wird zum zweiten Zuhause. Jetzt werden die Girls erst richtig auf Kurs gebracht: Er fixiert sie mit melancholischen Hundeaugen (die in Wahrheit lodernde gelbe Wolfsaugen sind), flüchtigen, scheinbar zufälligen Berührungen. Immer ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte, er nimmt sich alle Zeit der Welt, um mit ihnen über ihre Probleme zu sprechen:
    «Ja, das kenne ich, ich verstehe, dass du mit deinen Eltern nicht drüber sprechen kannst und mit deinen Klassenkameraden auch nicht, das sind doch noch halbe Kinder. Du bist für dein Alter schon viel weiter, das weißt du

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