Fleckenteufel (German Edition)
scheißen! Die müssen sie abreißen und neu errichten, harhar!
Ich setze mich und drücke ganz vorsichtig. Ppppfffrrräää. Bitte bitte, nicht nur heiße Luft! Kkkkrrrööö. Dann kommt endlich was. Aber nicht viel. Ein lächerlicher Vorschwall. Genau genommen viel zu wenig, es müsste viel mehr kommen. Ich will eine Wurst machen, so groß wie ein Hund. Ich warte und drücke und drücke und warte, doch es kommt einfach nichts mehr. Dann schaue ich mir die Bescherung an: Der Hasenkötel ist höchstens zwölf Zentimeter lang und wiegt sicher nicht mehr als 100 Gramm oder 110. Es müssten jedoch nach Adam Riese mindestens drei Kilo Scheiße in mir stecken, macht also eine Differenz von 2900 Gramm. Zum Glück bin ich allein und kann in Ruhe die Rosette durchspülen. Wenigstens hab ich keinen Darmverschluss, dann würde gar nichts kommen. Ich trotte ins Zelt zurück, weiter geht’s mit Lesen. Ich bin schon bei Teil zwei, und das noch vor dem Mittagessen.
Bimmel bimmel. Es gibt Spinat mit Spiegelei und Salzkartoffeln, Hitlers Leibspeise, das sogenannte Führeressen. Ob der seine Kartoffeln erst mit der Gabel zerdrückt und dann mit Spinat und/oder Eigelb vermengt hat? Oder hat er die Komponenten einzeln gegessen, wie Pastor Schmidt? Oder erst Kartoffeln, dann Spinat und sich zum Schluss durch den Eiweißhof ins Eizentrum vorgearbeitet? Kann man sich gut vorstellen. Dass er wie ein Irrer nachgesalzen hat, kann man sich hingegen nicht vorstellen. Detlef kann sich keinen Leibkoch leisten und schüttet eine Salzhaube aufs Eigelb. Meine Güte, das müsste doch langsam auch mal jemand anderem auffallen!
Es hat sich richtig eingeregnet. Für den Nachmittag war eigentlich ein Geländespiel geplant, aber bei dem Wetter geht das natürlich nicht. Ich sehe Diakon Steiß und Pastor Schmidt diskutieren, dann geht der Pastor zum Telefon. Von den Erwachsenen kriegt man nur wenig mit. Nach den Mahlzeiten gehen sie kurz nach draußen, sonst halten sie sich in ihren Zimmern auf oder sitzen im Aufenthaltsraum und lesen (Frau im Spiegel) und rauchen und schweigen und rauchen und schweigen und lesen (Kicker) und lesen (Heim und Welt) und rauchen und schweigen. Manchmal ist das Stillleben durchsetzt von brüchigem Flüstern, in den Qualm gestammelten, geschnalzten und verschluckten Lauten. Wie die Irren in der Psychiatrie. Sie freuen sich schon auf abends, wenn der Pastor Punkt acht zur «Tagesschau» endlich den Fernseher anmacht.
Bimmel bimmel. Alle Jugendlichen sollen ins Haus kommen. Pastor und Diakon haben Gesichter aufgesetzt, als wäre etwas ganz Schlimmes passiert.
«So, jetzt mal aufgepasst», sagt Pastor Schmidt. «Es geht darum, dass wir heute Nachmittag Besuch bekommen, von Jugendlichen in eurem Alter, die aber etwas anders sind als ihr. Sie sind aus dem Haus Kolibri, das ist auch hier in Scharbeutz. Ich möchte, dass ihr besonders nett zu ihnen seid. Wir spielen gemeinsam ein paar Spiele, und zum Abendbrot fahren sie wieder. Also, ihr könnt jetzt erst mal wieder in eure Zelte, aber ich würde euch bitten, dass ihr um drei wieder hier seid.»
Hä? Ich habe kein Wort verstanden und die anderen, glaube ich, auch nicht. Trotzdem traut sich keiner nachzufragen. Ich gehe erst mal eine rauchen. Man kann gar nicht genug rauchen. Dann weiterlesen:
«Ich betrachtete ihre Brüste und all das andere, und ich dachte, so ein Jammer, dass sie verrückt ist, ein Jammer, ein Jammer. Du blöde Fotze, du bist wohl übergeschnappt. Ich packte ihren Arsch und drückte ihr meine Lippen auf den Mund. Diese Brüste bedrängten mich, die ganze Frau bedrängte ich. Sie schrie: Unhold. Böser Unhold. Hilfe, ich werde vergewaltigt. Sie hatte recht.»
Ich wusste gar nicht, dass so eine Art von Büchern überhaupt erlaubt ist. Und das ist laut Tiedemann erst der Einstieg, weil es nicht so hart ist. Ich freue mich schon aufs nächste Buch. Wenn ich in dem Tempo weiterlese, kann ich es mir schon morgen ausleihen.
Haus Kolibri
Um Viertel nach drei halten zwei marode VW-Busse vor der Nougathöhle. Ungefähr ein Dutzend Jugendliche und drei Erwachsene steigen aus, die Erwachsenen helfen den Jugendlichen dabei. Die Jugendlichen sehen ganz komisch aus, das ist selbst durch die verregneten Scheiben deutlich zu erkennen. Im Stotterschritt und Entenmarsch tapern sie ins Haus, Pastor Schmidt steht an der Tür des Gemeinschaftsraums und begrüßt jeden Einzelnen überschwänglich, was denen aber scheinbar gar nicht so recht ist. Manche verweigern ihm den
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