Flederzeit - Sturz in die Vergangenheit (Historischer Roman): 1 (German Edition)
stumm vor wohligstem Schrecken, sein Magen ein einziges ungläubiges Flattern. Erst als Elias ihn zaghaft anlächelte, flüsterte er, seine Augen nicht von dem Kind lassend: „Er – lebt?“
Matthias fuhr hoch, aufgeregt nach Luft schnappend, mit rasendem Herzen, fassungslos vor Glück. Begierig sah er um sich, wo war Elias?
Aber da war niemand. Er war alleine. Wie immer.
Das jähe Aufwallen der Euphorie, den verlorenen Sohn, die verlorene Frau wie durch ein Wunder zurückbekommen zu haben, stieß ihn nur einen Moment später in seine Trostlosigkeit zurück. Es war nur ein Traum gewesen, wie schon so oft. Der ihm stets einen jähen Adrenalinschub lang vorgaukelte, dass alles gut wäre.
Er schaltete das Licht ein und sah auf die Uhr. Halb vier. Mit noch immer zitternden Beinen schob er sich aus dem Bett. In diesem Zustand war an Weiterschlafen nicht zu denken. Da konnte er genauso gut aufstehen und ein bisschen arbeiten. Aber zuerst einmal unter die Dusche.
Erst als er danach den Computer hochfuhr und auf den noch leeren Bildschirm starrte, fühlte er die Müdigkeit zurückkehren. Einen Moment wog er ab, eigentlich könnte er sich jetzt wieder hinlegen. Allerdings blubberte die Kaffeemaschine bereits verheißungsvoll. Entschlossen öffnete er sein Schreibprogramm. Er würde wach bleiben und aufschreiben, was ihm schon seit Tagen durch den Kopf ging. Es war wirklich an der Zeit, mit Elias' Tod und seinen Schuldgefühlen deswegen abzuschließen. Bisher hatte er sich dagegen gewehrt, aber irgendwie hatte Lida doch recht. Wenn er alles aufschrieb, aus sich heraus sozusagen, würde ihm das womöglich helfen. Wozu war er Schriftsteller?
„Aber nicht einfach nur so“, knurrte er, stand auf, um sich einen Kaffee zu holen. Nein, er hatte einen Plan. Und wenn der klappte, würden die Träume endlich aufhören und er wieder schlafen können.
Stunden später schaltete er entnervt den Computer wieder aus. So ging es nicht. Im Schlaf rückte seine Vergangenheit an ihn heran, bis sie ihn fast erdrückte, im Wachzustand jedoch bekam er sie nicht mehr zu fassen. Nachdenklich fuhr er sich durch die Haare, ließ seine Hand dann sinken. Wo er prompt die Beule in der Hosentasche tastete. Das war es!
Matthias legte den Finger auf den Klingelknopf. Er hatte nicht einmal angerufen. Mit etwas Pech würde Wolfgang gar nicht zuhause sein. Dann müsste er einen Zettel ...
Das Summen des Türöffners klang beruhigend in seine Befürchtungen hinein. Matthias drückte die Türe auf und sprang die beiden Treppen hinauf.
Wo ihn Wolfgang erstaunt ansah. „Du? Um diese Zeit?“ Demonstrativ blickte er auf seine Armbanduhr. „Neun Uhr? Sonst bist du doch vor Nachmittag unansprechbar.“
„Lass die Scherze und mich rein“, knurrte Matthias und stürmte an seinem Freund vorbei in dessen Küche. Wo er sich ohne Umschweife am Tisch niederließ. „Ich brauch erst mal einen Kaffee.“
„Kaffee, der Herr.“ Wolfgang legte sich ein Handtuch über den Arm und machte eine ironische Verbeugung. „Darf es sonst noch etwas sein?“
„Ich habe einen Entschluss gefasst.“ Matthias ging auf Wolfgangs Gehabe nicht ein, sondern kam direkt zum Punkt. „Hier kann ich einfach nicht schreiben. Ich muss dorthin, wo es geschehen ist.“
Wolfgang, der die Kanne aus der Kaffeemaschine geholt hatte und Matthias und sich selbst eine Tasse eingoss, schien ihn nicht gleich zu verstehen, blinzelte nur durch seine dichten dunklen Haare. „Wie bitte?“
„Lida hat recht.“ Aufgeregt fuhr sich Matthias übers stoppelige Kinn. „Ich muss alles aufschreiben. Nur, hier kann ich das nicht.“ Er knallte dem verdutzten Wolfgang ein paar Blätter vor die Nase. „Zuhause krieg ich es einfach nicht hin. Aber in der Hütte oben.“
„Du willst ... Warst du seitdem mal dort?“ Wolfgang schob Matthias die gefüllte Tasse und die Milchpackung zu.
Der schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiß nicht einmal, ob die Hütte noch steht. Aber ich muss hinauf. Dann schaff ich es.“ Er wies mit der Hand auf die Seiten.
Gehorsam beugte sich Wolfgang nach vorn und las: „Den Entschluss fällten Lida und Matthias gemeinsam, nachdem der Arzt gesagt hatte ...“ Er hob den Kopf und sah Matthias erstaunt an. „Willst du jetzt doch noch die ganze Geschichte aufschreiben?“
„Ja“, nickte Matthias. „Aber nicht so, wie du meinst. Nicht so, wie ihr alle meint. Nicht als Tagebucheintrag und nicht als Erlebnisaufsatz. Als Roman.“ Er brachte ein wackliges
Weitere Kostenlose Bücher