Flederzeit - Sturz in die Vergangenheit (Historischer Roman): 1 (German Edition)
gut.“
„S-singen“, forderte er.
Mila warf Matthias einen unsicher wirkenden Blick zu. „So machen wir das immer, abends.“
Matthias nickte. „Auch in der Zukunft wird sich daran nicht viel ändern.“
Doch noch ehe sich Mila zu Ende geräuspert hatte, richtete Ilya seine Augen auf Matthias und forderte: „Hassen hüpf.“
Matthias nickte sofort und wollte schon anstimmen, doch Mila kam ihm mit strenger Stimme zuvor. „Das ist ein Tobelied, kein Schlaflied.“
„Ach lass mal“, musste Matthias widersprechen und legte sich neben Ilya. „Ich dichte es einfach ein wenig um, dann wird daraus schon eines.“ So, wie Lida es früher immer wieder für Elias getan hatte. Er überlegte kurz, nahm dann Ilyas Hand in seine und begann mit leiser Stimme: „Häschen in dem Nestchen, liegt und schläft, liegt und schläft, hat ja seine Augen zu, auch sein Mündchen gibt jetzt Ruh. Häschen schlaf, Häschen schlaf, Häschen schlaf.“
Ilya strahlte ihn an. „Hässen s-laft. Wie Illa.“ Müde wirkte er dabei allerdings überhaupt nicht.
Doch zu Matthias' Erstaunen drehte sich der kleine Wicht daraufhin ihm zu, schob sich den Daumen in den Mund und schloss die Augen.
Matthias sah Mila beeindruckt an und raunte. „Das war's?“
Die lächelte leicht, nickte, beugte sich zum Feuer, um ein wenig Holz nachzulegen, kuschelte sich danach an Ilyas Rückfront. „Wir müssen aufpassen, dass das Feuer nicht ausgeht“, sagte sie leise. „Allerdings ist im Sommer die Gefahr nicht so groß wie im Winter, von einem wilden Tier angegriffen zu werden. Trotzdem, leichte Beute wie uns würde ein hungriger Bär auch jetzt nicht verschmähen.“
Leichte Beute, Wölfe und Bären. „Ich hab schon eine Nacht im Freien verbracht, seit ich hier bin“, sagte Matthias. Gangolf hatte weder Feuer gehabt noch Bedenken geäußert. Wahrscheinlich hatte keine Gefahr bestanden, weil die nächste menschliche Siedlung so nah gewesen war. Im Winter war das sicher anders.
Unvermutet hob Mila den Kopf und sah Matthias über den bereits ruhig atmenden Ilya an. „Vor lauter Aufregung habe ich ganz vergessen zu fragen, wie es dir in der Zwischenzeit ergangen ist. Tut mir wirklich leid.“ Ihr Lächeln wirkte wie eine Entschuldigung. „Wie hast du mich in Ernberg gefunden?“
Sie legte sich wieder zurück, hob nur, als Matthias nicht gleich antwortete, nochmals den Kopf und sah ihn auffordernd an.
„Naja“, er hatte das Gefühl, von lange zurückliegenden Ereignissen zu berichten. Dabei war er erst vor vier Tagen hier – im Mittelalter – angekommen. „Ich hab ne Weile gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass Ilya und du nicht mehr da gewesen seid, als ich nach dem Schlag auf den Kopf wieder zu mir gekommen bin.“ Er schluckte. „Tut mir leid“, murmelte er beschämt.
Richtete seine Augen auf den inzwischen sternenübersäten, völlig klaren Himmel über ihnen. Der in seiner Zeit immer noch genauso aussehen würde wie jetzt. Das war neben der Form der Berge die einzige Konstante in diesem Leben, in das er so plötzlich hineingeworfen worden war. Im Moment konnte Matthias den Halt, etwas Vertrautes zu betrachten, sehr gut brauchen. Dabei erzählte er. Von Meinhards Männern, die Milas Hütte hatten ausrauben wollen. Dann von Gangolf und dessen Liebe zu Wilmars Tochter. „Adelinda kennt und mag dich, sie hat mir geholfen. Zum Dank dafür hab ich sie fotografiert und damit zu Tode erschreckt“, schloss er schließlich und seufzte. Ob sie sich inzwischen von ihrem Schock erholt hatte? „Was wird sie jetzt von mir denken?“
„Dass du der Teufel höchstpersönlich bist“, prustete Mila neben ihm los.
Erstaunt und ein klein wenig gekränkt sah er sie an. „Was ist an meiner Geschichte so witzig?“
„Oh, nichts.“ Mila lachte noch immer. „Es ist nur, weil die Digikamera so eine ausgezeichnete Waffe war. Klein, aber mächtig.“
So betrachtet war das wirklich – ein Witz. Ein kaum handtellergroßer Fotoapparat hatte mit Schwertern und Lanzen bewaffnete Wachen in Schach gehalten, ein unbedarftes Mädchen besinnungslos gemacht – und dafür gesorgt, dass Mila und er dem Hexenkessel rund um Meinhards Hinrichtungsszenario gerade noch hatten entkommen können.
Und weil Mila noch immer lachte, stimmte Matthias schließlich mit ein. „Es ist nur schade, dass ich die Kamera nicht mehr habe. Sonst könnte ich dir jetzt ein paar nette Fotos zeigen.“
Sie verstummten erst, als Ilya die Augen öffnete und verschlafen den Kopf hob.
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