Flehende Leidenschaft
beiseite. »Und inzwischen lasse ich das Zimmer im Ostturm für die schöne Elizabeth herrichten.«
Alle lächelten, sogar Kinmont, die Stimme der Vernunft. »Ja, damit würden wir dem arroganten Lord Godfrey einen Denkzettel verpassen.« Im Grunde seines Herzens war er ein Geschäftsmann, wie so viele Grenzbewohner. Ihre Plünderungen befriedigten nicht nur die Lust am Risiko, sondern dienten vor allem dem Profit.
»Bist du bereit, den Brief zu schreiben?« fragte Johnnie.
»Mit Vergnügen.«
»Dann wollen wir anderen den Rheinwein kosten, der gestern aus Berwick geliefert wurde.«
Obwohl der Earl von Graden eine fröhliche Miene zur Schau trug, sorgte er sich um seinen Bruder. In den Verliesen von Harbottle Castle waren schon viele Schotten gestorben. Länger als eine Woche durfte Robbie nicht in diesem Höllenloch leiden.
Nachdem er mit seinen Männern dem Rheinwein zugesprochen hatte, fühlte er sich erstaunlich nüchtern, als er sein Schlafzimmer aufsuchte. Der Anblick Janet Lindsays, die in seinem Bett lag, ernüchterte ihn vollends.
»Ist Jamie wieder nach Süden geritten?« fragte er leichthin und schloß die Tür hinter sich. Die Gemahlin seines Nachbarn zählte zu den zahlreichen Frauen, die ihn zu erfreuen pflegten, und er hieß sie stets willkommen. Aber während sein Bruder in Godfreys Verlies festsaß, stand ihm nicht der Sinn nach solchen Amüsements.
»Er kommt erst in vierzehn Tagen zurück, Liebling«, erklärte Janet, eine geborene Gräfin und mit einem Grafen verheiratet – eine Frau, die immer tat, was ihr gefiel.
»Heute wurde Robbie entführt, ohne daß wir unsere Gegner provoziert hätten.«
Sie nickte. Im Kerzenlicht schimmerte ihr schwarzes Haar wie Ebenholz. »Deshalb will ich dich trösten.«
»Vielen Dank, das ist nicht nötig.«
Aber sie war nicht vier Meilen durch Wind und Regen geritten, um sich abweisen zu lassen. Und so schob sie die grüne Decke von ihrem schönen, nackten Körper und ging langsam zu Johnnie.
»Robbie würde mich niemals wegschicken«, gurrte sie, küßte sein unrasiertes Kinn und schmiegte ihre vollen Brüste an seine Lederjacke.
Dieser Behauptung konnte er nicht widersprechen. Großzügig verteilte der hübsche achtzehnjährige Bursche seine Gunst diesseits und jenseits der Grenze.
»Aber ich bin müde«, entgegnete der Laird wahrheitsgemäß. Zwei fast schlaflose Nächte und fünf Stunden im Sattel zehrten an seinen Kräften.
»Liebling, du mußt dich nicht bewegen. Leg dich einfach hin, und ich reite auf dir …« Er versuchte sich zu beherrschen. Doch sein Körper reagierte automatisch auf den verführerischen Vorschlag. Aufreizend glitt Janets kleine Hand zu seiner Lederhose hinab und spürte seine wachsende Erregung. »Siehst du?« flüsterte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und knabberte an seiner Unterlippe. »Du bist keineswegs zu müde.«
Exotischer Jasminduft stieg ihm in die Nase und erinnerte ihn an andere Nächte mit der schönen Nachbarin. »O Gott, Janet …«, stöhnte er und versuchte sich loszureißen.
Lächelnd schlang sie die Arme um seinen Hals. »Du kannst nicht nein sagen. Das verbiete ich dir.« Ihre Zungenspitze liebkoste sein Kinn. »Küß mich, und du wirst es nicht bereuen.«
Sie zog seinen Kopf herab, preßte ihre Lippen auf seine. Und er bereute es tatsächlich nicht, denn sie beglückte ihn mit all ihren bemerkenswerten Liebeskünsten.
Aber später, als sie eingeschlafen war, verließ er das Bett. Nur kurzfristig hatte er über der wilden Leidenschaft die schreckliche Lage vergessen, in der sich sein Bruder befand. Nun schlüpfte er in den gesteppten Schlafrock, den er aus Makao mitgebracht hatte. Die japanische Seide war wärmer als ein Pelz. Auf Zehenspitzen schlich er in den schwach beleuchteten Korridor hinaus und ging zu seinem Arbeitszimmer.
Dort verbrachte er die nächsten Stunden, studierte seine Landkarten und suchte die günstigste Route zwischen Ravensby und Harbottle Castle – eine Strecke, die auf englischer Seite durch dünn besiedeltes Gebiet und allmählich bergauf führte, zum breitesten Paß über die Cheviots.
Auf dem Rückweg mußte er ein Gebiet durchqueren, wo es ihm gelingen würde, die Verfolger abzuschütteln.
3
Am nächsten Morgen ritt ein Bote mit einer Friedensflagge zu Lord Godfrey und überbrachte ihm den Brief. In überaus höflichen Worten hatte Kinmont die Bitte um Robbies sofortige Freilassung formuliert.
Godfrey antwortete, er würde die Angelegenheit Lord Scroope
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