Fleisch essen, Tiere lieben
ihre Flächenerträge mit Hilfe von Kunstdünger um das Zehnfache. ²⁹ Allein die Weizenproduktion hat sich im Laufe des letzten halben Jahrhunderts weltweit verdreifacht. ³⁰ Europäische Landwirte hatten die Ernteerträge einst im Laufe eines Jahrhunderts verdoppelt, nun vervierfachten sie diese in der Hälfte dieser Zeit. Zwischen 1950 und 1980 versiebzehnfachte sich aber auch der Verbrauch an künstlich herge stelltem Stickstoffdünger. ³¹ Und weil wir sind, was wir essen, hat jedes zweite Stickstoffatom in unseren Körpern ein Haber-Bosch-Verfahren durchlaufen. ³² Der kanadische Energieexperte Vaclav Smil schätzt, dass fast die Hälfte der Lebensmittel, die seit 1950 hergestellt worden sind, und mehr als zwei Drittel des Zuwachses an Menschen eine direkte Folge der Erfindung von Mineraldünger sind. ³³
Mit dem Füllhorn-Effekt der Landwirtschaft begann allerdings auch so mancher Ärger.
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Ein Schluck Erdöl mit jedem Bissen
Gemüse ist ein echtes Wohlfühl-Lebensmittel. Es sieht hübsch aus, es ist gesund. Man muss sich schon sehr anstrengen, um von Gemüse dick zu werden. Und es ist definitiv einfacher, eine Tomate zu pflücken, als ein Rind umzulegen. Auch für die Umwelt ist der Griff nach der Tomate besser. Rohes Gemüse schneidet in Sachen Energieeffizienz generell viel günstiger ab als Fleisch. Energie lässt sich in Kalorien messen, was sehr sinnvoll ist, wenn man über Nahrung spricht. So werden Vergleiche möglich: Misst man also den Aufwand der Nahrungsmittelproduktion in Kalorien, ist konventionell produziertes Fleisch extrem ineffizient – die Energiebilanz fällt negativ aus. Pro 100 Kalorien, die man in die Produktion von Rindfleisch steckt, bekommt man Fleisch im Wert von sechs Kalorien. Äpfel dagegen landen mit 110 Kalorien auf der Ergebnisseite im Plus, eine 100-Kalorien-Investition in den Anbau roher Sojabohnen ergibt sogar 415 Kalorien. Wenn man das in Treibhausgase umrechnet, entspräche der Wechsel von einer auf Fleisch basierenden Ernährung zu einer, die ausschließlich auf Pflanzen beruht, dem Wechsel vom Geländewagen zum normalen Mittelklasseauto. ³⁴
Energietechnisch wäre also klar, was wir uns auf die Teller packen sollten. Nur kann sich leider kein normaler Mensch nur von Äpfeln und rohen Sojabohnen ernähren. Jeder Mensch braucht Proteine. Und von rohen Sojabohnen, theoretisch eine gute Eiweißquelle, roh aber unverdaulich, hat man im besten Fall nicht viel, im schlimmsten Fall entsetzliche Bauchschmerzen. Man muss die Bohnen also verarbeiten. Wenn man in die Regale von Bioläden und mittlerweile auch normalen Supermärkten guckt, sieht man, dass gerade Sojaprodukte gerne als Fleischersatz genommen werden: in Form von Sojaschnitzeln, Tofuburgern, Sojawurst – und Käse. Der Energievorteil der rohen Sojabohne aber verschwindet, wenn die Bohnen stark verarbeitet werden. Das gilt nicht nur für Tofuburger (die ja auf Sojabasis hergestellt werden), sondern auch für andere pflanzliche Eiweißquellen, also etwa Linsen, Erbsen, Bohnen und Getreide. Den Energieaufwand für die Herstellung von Seitan, also Weizeneiweiß, kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen: Um einen kleinen Klumpen Seitan herzustellen, steht man mehrere Stunden in der Küche, während derer man Weizenmehl mit Wasser zu Teig knetet, diesen ruhen lässt, dann sehr lange unter fließendem Wasser auswäscht, das Ganze in Wasser kocht, den entstehenden Klumpen schließlich mariniert (es soll schließlich auch nach etwas schmecken) und ihn erst dann in das eigentliche Gericht einarbeitet. Das macht Spaß und erinnert an Sandkästen und Schlammburgen. Aber effizient ist es nicht. Gidon Eshel, selbst Veganer und Geophysiker am amerikanischen Bard College, hat dazu ein paar interessante Rechnungen aufgestellt. Seiner Meinung nach ist der Verzehr der meisten Pflanzenburger energetisch ähnlich sinnvoll wie ein Schuss in den eigenen Fuß. ³⁵ Und eine Studie des Swedish Institute for Food and Biotechnology hat 2009 herausgefunden, dass zwar Erbsen energetisch günstiger herzustellen sind als Schweinefleisch, die Energiekosten beider Lebensmittel in Burgerform jedoch fast gleich ausfallen. Stark verarbeitete Produkte sind einfach keine gute Idee.
Nun muss natürlich niemand Erbsenburger essen. Eier und Käse sind auch gute Eiweißlieferanten. Leider schneiden sie laut Gideon Eshels Rechnung nicht viel besser ab als Rindfleisch: Eier liefern pro 100 investierter Kalorien nur elf Kalorien im Ergebnis, bei
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