Fleisch essen, Tiere lieben
kommt, dass der Kunstdünger nicht auf den Feldern bleibt, sondern auch die Gewässer belastet. Das ist kein kleines Problem. Auch sauberes Wasser ist eine Ressource, die immer knapper wird. Landwirte bringen meistens mehr Dünger auf den Feldern aus, als die Pflanzen aufnehmen können. Der Überfluss landet in natürlichen Wasser vorkommen, in Grundwasser, Flüssen und Seen. Abgesehen davon, dass es den Gewässern und ihren Lebewesen schadet, kann der Düngerüberschuss so auch ins Trinkwasser gelangen. ⁴² Manche Gewässer sind um das Fünfzehnfache des natürlichen Niveaus mit Stickstoff überdüngt. ⁴³ Zum anderen setzen mit Stickstoff überdüngte Böden Lachgas, ein potentes Treibhausgas, frei. Nach konservativen Schätzungen beträgt der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten Treibhausgasemissionen etwa 13 Prozent, wovon etwa ein Sechstel der Mineraldüngung zugeschrieben werden kann. ⁴⁴ Nicht nur Kühe mit Methan-Flatulenz tragen zum Klimawandel bei, sondern auch die schönen, wogenden Mais- und Weizenfelder, die wir am Autofenster vorbeiziehen sehen und von deren Böden Treibhausgase aufsteigen.
A propros schöne Aussicht: Ohne Ackerbau sähe Deutschland heute deutlich anders aus. Mehr als die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik wird landwirtschaftlich genutzt. Und industrieller Ackerbau ist kein Idyll. Er funktioniert, indem man natürliche Ökosysteme, etwa Wälder und Graslandschaften, ver drängt. Bäume werden gerodet, Böden umgepflügt. Das heißt zum einen, dass wir heute nur noch einen Bruchteil der Natur zu sehen bekommen, die es früher gab. Zum anderen sind die nackten Böden dem Wetter schutzlos ausgesetzt. Bodenerosion ist in der ganzen Welt ein großes Umweltproblem und eine typische Folge von intensiver oder unsachgemäßer menschlicher Bewirtschaftung. Wer schon einmal bei starkem Wind an einem Acker vorbeigefahren ist, kennt das: Überall steigen kleine Staubwolken auf. Das ist mehr als ein ärgerliches Sichtproblem. Die schlimmste Folge ist Desertifikation, mit anderen Worten: Wüstenbildung. 18 Prozent Spaniens laufen gerade Gefahr, sich in Wüste zu verwandeln. ⁴⁵ Und daran sind nicht zuletzt die Erdbeeren und Tomaten schuld, die in den Regalen deutscher Discounter liegen.
Anstelle von Wäldern, Wiesen und Prärien, also den ur sprünglich vorhandenen, vielfältigen Ökosystemen, gibt es über all auf der Welt, wo industrielle Landwirtschaft betrieben wird, jede Menge großer Flächen, auf denen Monokulturen strotzen. Die Hälfte der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. In den USA sind 98 Prozent der ursprünglichen Prärielandschaften und Getreidefelder umgewandelt worden. Und auch die Regenwälder werden abgeholzt, um Platz für Nutzpflanzen zu schaffen. Dabei sterben nicht nur die Pflanzen, die dort vorher gewachsen sind, sondern auch die Tiere, deren Lebensräume zerstört werden.
»Es gibt nur noch Mais, Weizen, und Soja. Fast die einzigen Tiere, die dem Säuberungsprozess der Landwirte entkommen sind, sind kleine Tiere wie Mäuse und Kaninchen, und Millionen von ihnen fallen jedes Jahr Erntemaschinen zum Opfer. Falls Sie nicht selbst da draußen mit einer Sense unterwegs sind, vergessen Sie nicht, sie auf die Todesliste Ihrer vegetarischen Mahlzeit zu schreiben. Sie zählen auch, und sie sind für Ihr Abendessen gestorben … Erdböden, Tierarten, Flüsse. Das ist der Tod in Ihrem Essen. Die Landwirtschaft ist ein Fleischfresser: Sie isst Ökosysteme, schluckt sie im Ganzen herunter«, schreibt Lierre Keith.
Wie kann man sich Sorgen um das Leiden der Milchsäurebakterien im Joghurt machen und dabei den Tod der Lebewesen ignorieren, die für den Frühstückstoast gestorben sind? Wer meint, das sei in Zeiten des Öko-Booms bald kein Thema mehr, irrt sich: 95 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland betreiben konventionelle Landwirtschaft.
»Unter Einsatz neuer Technologie und mit modernem Pflanzenschutz und nachhaltiger Mineraldüngung wird der Löwenanteil der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland gesichert«, schreibt stolz der Industrieverband Agrar. ⁴⁶ Das Wort »nachhaltig« in diesem Satz ist durchaus ernst gemeint. Eigentlich aber ist es ein Witz. Mineraldüngung ist nicht nachhaltig, sondern das Gegenteil.
Wer meint, das sei romantisierendes Ökogerede, hat nichts verstanden. Es geht nicht nur um ein paar schöne Wälder, die im Interesse menschlichen Fortschritts eben dran glauben mussten. Und auch
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