Fleisch essen, Tiere lieben
zur traditionellen Landwirt schaft verfünfzigfacht – in den extremsten Fällen sogar verhundertfacht. Man kann es auch drastischer formulieren, wie der Geologe Dale Allan Pfeiffer in seinem Buch »Eating Fossil Fuel«: »Wir essen, buchstäblich und in einem sehr realen Sinn, fossile Brennstoffe.« ³⁹ Und Albert Bartlett von der University of Colorado definiert Landwirtschaft gleich trocken als »die Verwendung von Land, um Erdöl in Lebensmittel umzuwandeln« ⁴⁰ . An alle, die Getreide für gewaltfrei halten: Was war noch gleich so politisch korrekt an Erdöl?
In der Diskussion um Fleisch ist stets von massivem Energieaufwand und Emissionen die Rede. Es stimmt ja – gilt aber zum einen nur für Industriefleisch. Zum anderen hat auch das gute alte Butterbrot Dreck am Stecken. Nicht nur die Fleischindus trie, sondern die industrielle Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit zapft ein Energiedepot des Planeten an, das sich in Millionen von Jahren gefüllt hat – und wenn es leer ist, gibt es vorerst keinen Nachschub mehr. Fast alle Lebensmittel werden heute auf Basis von Pflanzen hergestellt, die mit Hilfe von Mineraldünger gewachsen sind. Hans Herren vom Millennium Institute in Arlington, Virginia, und Kopräsident des Weltagrarberichts, hat es auf den Punkt gebracht: »Die industrialisierte Landwirtschaft ist bankrott, sie braucht mehr Energie, als sie produziert. Mit dem Auslaufen von fossiler Energie, der Basis für Kunstdünger und Agro-Chemikalien, wird sie in fünfzig bis hundert Jahren absterben.« ⁴¹
Absterben. Das klingt nicht schön, und das ist es auch nicht. Denkt man diesen Gedanken zu Ende, kommt man zu folgendem Schluss: Wir stehen, in nicht allzu ferner Zukunft, wieder vor einem ähnlichen Problem, das die Menschen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hatten. Jenem Problem nämlich, das die Erfindung des Kunstdüngers scheinbar gelöst hatte. Damals hingen volle Bäuche von der Verfügbarkeit von Stickstoff ab – nun hängt die Verfügbarkeit von Stickstoff an der Energieversorgung. Der scheinbar unendliche Vorrat an Brot aus der Luft geht einem sehr realen Ende entgegen. Denn ohne Energie lösen sich die Lebensmittel, die unsere Supermarktregale heute füllen, buchstäblich in Luft auf. Nicht nur das: Die Preise für Mineraldünger, und damit die unserer Nahrungsmittel, sind aufs Engste mit den Kosten für Energie verbunden. Steigt der Preis für Energie, werden Dünger und Pestizide teurer – und damit auch unsere Mahlzeiten. Das wird auch dann passieren, wenn wir uns alle für den Rest unseres Lebens von Toast mit Margarine ernähren. Fleischverzicht kann das Problem nur vertagen.
Ja, das sind schlechte Nachrichten. Aber noch kein Grund, alle Sorgen mit einem Ist-sowieso-schon-alles-egal-Seufzer in der nächsten Wurstbuden-Fritteuse zu ersäufen.
Es geht auch anders.
6
Grüner wird’s nicht
»Wir leben vegan und fordern eine Umstellung auf ausschließlich pflanzlichen Anbau, also auch keine tierischen Düngemittel, keinen Mist und keine Gülle, keine in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft üblichen Düngemischungen mit Tierbestandteilen. Selbstverständlich ist für uns, dass dabei die konventionellen, chemischen Mittel ausgeschlossen sind«, schrieb mir der deutsche Zweig von PETA als Antwort auf meine Frage, wie sich eine der größten Tierschutzverbände der Welt eine bessere Landwirtschaft vorstellt.
Ausschließlich biologisch-veganer Anbau: Faktisch bedeutet dies, dass PETA auf Nahrungsmittel verzichten möchte. Rein pflanzlicher Anbau klingt gut, ist aber nach dem heutigen Stand der Forschung nicht realistisch – zumindest nicht im großen Stil. Für einen kleinen Kreis von Menschen kann das funktionieren, aber nicht für die Weltbevölkerung. Der Ertrag ist nicht groß genug. Und es ergibt auch einfach keinen Sinn. Alle Menschen pflanzlich zu ernähren, bei einem völligen Verzicht auf Tiere – das kann nur klappen, wenn die Bauern Mineraldünger auf ihre Äcker kippen. Das aber wird nur der Hälfte des PETA-Anspruchs gerecht. Vegan: ja. Ökologisch: nein.
Ohne Mithilfe von Tieren würde die biologische Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, komplett wegfallen, da Biobauern keinen Mineraldünger verwenden dürfen. Mit Mineraldünger wiederum ist eine effiziente, vegane Landwirtschaft zwar möglich – sie ist allerdings auf fossile Brennstoffe angewiesen. Diese Rohstoffe aber sind, wie wir wissen, begrenzt – eine nachhaltige Lösung sieht anders aus. Hinzu
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