Fleisch essen, Tiere lieben
Schweinefleisch manchmal weniger als Hundefutter. Was der Kunde am Braten spart, fällt letztlich doch wieder auf ihn zurück. Die Kosten für Umweltschäden, die durch Massentierhaltung entstehen, verschmutzte Gewässer, überdüngte Böden, stehen nicht auf dem Preisschild, kosten aber letztlich Steuern.
Gleichzeitig denken immer mehr Fleischesser über Tierschutz nach. Seit dem 26. Juli 2002 ist der Tierschutz sogar als Staatsziel im Artikel 20a des deutschen Grundgesetzes verankert. Eine Eurobarometer-Studie aus dem Jahr 2005 hat gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen beim Kauf von Fleisch zumindest zeitweilig an Tierschutz denken. Sie sind auch bereit, für alternative Tierhaltungsverfahren mehr zu bezahlen – bisher allerdings nur in der Theorie. »Die empirisch ermittelten hohen Zahlungsbereitschaften für alternative Tierhaltungsverfahren lassen ebenso ein zunehmendes Absatzpotenzial für Produkte von artgerecht gehaltenen Tieren vermuten wie das wachsende Tierschutzbewusstsein in der Gesellschaft. Dieses spiegelt sich jedoch derzeit nur unwesentlich im Konsumentenverhalten wider.« ¹³² Artgerechte Tierhaltung ist einfach teurer als Standard haltung. Ein Biohuhn kostet leicht das Drei-oder Vierfache eines Discountervogels. Die Tiere brauchen mehr Platz und Aufmerksamkeit, Stroheinstreu und Mistentfernung erhöhen die Kosten im Ökolandbau deutlich. Da in der Fleischbranche in Centbeträgen gerechnet wird, sparen Landwirte, wo sie können. Futterkosten gehören zu den Hauptfaktoren. Immer wieder versuchen Futtermittelhersteller zu schummeln, indem sie belastete Rohstoffe verwenden und in den Handel bringen. Es ist relativ leicht, giftige Fette und verseuchtes Getreide in Futtermischungen zu rühren. Alle großen Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre hatten ihren Ursprung in Futtermitteln, ob BSE, Nitrofen oder Dioxin. Mit der Folge, dass Hunderte Höfe gesperrt, Tonnen an Fleisch vernichtet und unzählige Tiere notgeschlachtet werden mussten.
Die deutschen Konsumenten legen also ein ziemlich widersprüchliches Verhalten an den Tag – sie wollen, dass Tiere besser behandelt werden, die Masse der Konsumenten greift aber doch zu Billigfleisch. Wie passt das zusammen? Spiller vermutet in seiner Studie zwei Gründe. Erstens: Unwissen. Zwar beurteilten die meisten Befragten die modernen Haltungsbedingungen von Tieren negativ – sagten aber gleichzeitig, dass sie nicht viel darüber wüssten. Zweitens: Verfügbarkeit. Es gibt einfach nicht genug Fleisch aus artgerechter Haltung. ¹³³
Achim Spiller glaubt, dass der Markt für artgerecht erzeugtes Fleisch bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Er zieht Parallelen zur Eierbranche: »Aufgrund der skizzierten Problematik ist es von großer praktischer Relevanz, ob entsprechende Mehrkosten von den Verbrauchern getragen würden bzw. ob die Spaltenbodenhaltung ähnlich wie die Käfighaltung von Legehennen langfristig weiter an Akzeptanz verliert.« ¹³⁴ Seit 2005 müssen Eier im Handel klar nach Art der Haltungsform gekennzeichnet sein. Freilandeier haben mittlerweile einen Marktanteil von 21,9 Prozent. Etwa ebenso hoch schätzt Spiller das Marktpotenzial für Fleisch aus artgerechter Haltung ein. Das gibt Hoffnung: Was für Eier geklappt hat, sollte für Schnitzel nicht unmöglich sein.
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Alles geht
Thomas, einer der Fleisch liebenden Männer, mit denen ich zusammengelebt habe, plante seine Mahlzeiten nach dem Prinzip: Wenn es kein Gesicht hatte, schmeckt es nicht. Thomas ist ein netter Kerl, und wäre er von Schokolade abhängig, könnte er darüber einen männerhumorigen Beststeller schreiben, der dann mit Till Schweiger verfilmt werden würde. So aber prallte er nicht nur mit seinem schlechten Gewissen, sondern auch mit mir zusammen, die sich mehr oder minder versehentlich immer wieder auf einem Küchenstuhl wiederfand und gegen seine 99-Cent-Hackpakete anpredigte.
Wir wohnen schon seit Jahren nicht mehr zusammen, aber neulich traf ich Thomas wieder, zum Mittagessen. Er kaute an einem Schweinshaxenmmittagstischsonderangebot, aus dessen Mitte ein beeindruckender Knochen ragte. Ich trank mein Bier. Der Prediger in mir war schon seit längerem zur Ruhe gekommen. Trotzdem fühlte sich Thomas scheinbar angegriffen, denn er ließ seine Gabel sinken, sagte ein paar Sätze, die den blonden Saft in meine Luftröhre rutschen ließen:
»Es ist zu lecker, und es gibt einfach noch keinen gleichwertigen Ersatz. Mal ehrlich, Tofu schmeckt nach nichts.
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