Fleisch essen, Tiere lieben
verbrannte Borsten, Blut. Es ist eine ungemütliche Empfindung, die unter die Haut geht. Während Rudolf Festag und ich durch den Teil des Betriebs liefen, in dem aus ganzen Schweinen erst Schweinehälften, dann Schweinestücke und -organe wurden, habe ich versucht, mir vorzustellen, ich selbst würde an einem dieser Haken hängen, die durch Schienen an der Decke laufen und die Tiere ans Messer bringen: kopfüber, nackt und rosa. Ist, aus dieser Perspektive, ein solcher Tod immer noch »human«? Was genau war noch gleich der Unterschied zwischen dem Lebensrecht dieser Schweine und dem meiner Mitmenschen? Pollan glaubt, dass wir Menschen uns auch deswegen von dem Tierischen in uns distanzieren, weil ihr Sterben uns an den eigenen Tod erinnert. »Tiere wehren sich gegen das Sterben, aber da sie keine Vorstellung vom Tod haben, denken sie lange nicht so viel darüber nach wie wir. Und einer der Hauptgedanken, die wir uns darüber machen, ist die Frage, ob der eigene Tod wie der dieses Tieres sein wird oder nicht? Der Glaube oder die Hoffnung, dass der menschliche Tod irgendwie anders als der tierische Tod ist, ist für uns wichtig – aber unbeweisbar«, ¹³¹ schreibt Pollan. Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache. Aber ich kann nicht genau sagen, was der Grund dafür ist. Ein für mich möglicherweise doch unsichtbares Leiden der Tiere? Die direkte Konfrontation mit dem Tod? Schließlich finde ich die Antwort: Es ist die schiere Menge an Tieren, die hier getötet werden. Eins nach dem anderen, den ganzen Tag lang. Der Tod eines Tieres ist hier nicht, wie im Porkcamp, ein Ereignis, sondern täglich tausendfach wiederholte Routine. Ich frage mich, wie der Schlachter das aushält.
»Wenn sie das hundertmal am Tag machen«, sagt Festag, »dann belastet sie das seelisch nicht mehr. Das ist wie bei einem Beamten, der den ganzen Tag lang immer die gleichen Löcher in Papier stanzt.«
Das ist der Satz, der mir am meisten nachhängt. Das und der Geruch der Tiere und des rohen Fleischs. Ein Geruch, der auch ein Geschmack ist, den ich nicht aus meinem Mund herausbekomme: Was ich bisher als den Geruch und den Geschmack von »Salami« oder »Schinken« abgespeichert hatte, ist der Geruch des Tiers: Schwein.
Aus einem Tier wird bei der Schlachtung eine Sache gemacht. Das ist die Realität der Fleischproduktion. Schön ist das nicht. In einer Welt, wie ich sie möchte, werden Tiere nicht am Fließband abgestochen. Sie verbringen ihr Leben auch nicht auf harten Betonböden in Massenställen ohne Tageslicht. Aber nur so kann Fleisch billig sein. Und das ist das, was der deutsche Verbraucher (noch) will.
Die EGO-Schlachthof GmbH gehört unter den konventionellen Erzeugern zu den »Guten« der Branche. Aber auch Festags Schweine leben nicht so schön, wie der Name »Eichenhof«, unter dem das Fleisch verkauft wird, suggeriert: Die Schweine kommen von Betrieben, in denen sie zu Hunderten gemästet werden, und stehen auf den viel kritisierten Betonspaltböden. Auch beim Fleisch gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. »Wir machen alles, was der Kunde zu zahlen bereit ist«, meint Festag. »Einer meiner Betriebe hat mir gesagt, er bindet seinen Schweinen auch eine rosa Schleife um den Schwanz, wenn er die Garantie bekommt, dass man ihm das bezahlt.«
Deutsche verlangen von Fleisch vor allem, dass es billig ist. Das Verlangen nach Billigfleisch bringt alle Beteiligten in der Produk tionskette unter Preisdruck. Als Folge findet in der Fleischindustrie eine Konzentration statt: Immer weniger, immer größere Betriebe produzieren immer mehr Fleisch. Die Anzahl kleiner Metzger, die noch selbst schlachten, hat in den letzten Jahren stetig abgenommen. Nur weil ein Metzger mit eigener Produktion wirbt, heißt das noch lange nicht, dass er selbst Tiere tötet. Die Chancen stehen gut, dass er sein Fleisch von großen Schlachtbetrieben bezieht – in denen dann eben am Fließband geschlachtet wird. Nicht nur der Preisdruck durch Supermarktketten, die ihre Koteletts und Würste konkurrenzlos billig verkaufen können, macht den Metzgern zu schaffen, sondern auch das schlechte Image des Metzgerberufs. Es ist absurd, aber wahr: Einerseits kaufen wir so viel und so billiges Fleisch wie nie. Andererseits wollen wir nichts mit der Produktion zu tun haben. Fleischer und Fleischfachverkäufer gehören heute zu den unbeliebtesten Berufen, wie aus der Berufsberatungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht.
Im Supermarkt kostet
Weitere Kostenlose Bücher