Fleisch ist mein Gemüse
gingen zum Tresen, und Torsten bestellte.
«Wirt, machst du mal fünf Stützbier fertig.»
Stützbier!
Torsten schien sich auszukennen mit Trinkerhumor.
«Wenn der Abend so läuft wie der Soundcheck, dann mach ich mir keine Sorgen.»
«Prost!»
«Prost!»
«Prost!»
«Prost!»
«Prost!»
Das Bier war eine schauderhafte, dünne Plörre, von der man nicht richtig besoffen wurde. Und da kam schon der nächste Schützenbruder im Stechschritt auf uns zu.
«Guten Abend, mein Name ist Eggers, ich bin der zweite Zeugwart. Sie können jetzt zum Essen gehen. Spielbeginn ist Punkt zwanzig Uhr.»
Er klang so zackig wie ein Kommentator der Deutschen Wochenschau. Grußlos marschierte er wieder ab, wahrscheinlich Spinde kontrollieren und anschließend Jungschützen auspeitschen. Jens klatschte zweimal kurz in die Hände.
«Auf geht’s, meine Herren.»
Hinter dem Tresen stand unser Essen, Kartoffelsalat und Würstchen. Ein paar Meter weiter vertilgten ein paar Schützen appetitlich aussehende Lachsbrötchen. Eine kulinarische Zweiklassengesellschaft. Torsten starrte missmutig auf die vom überlangen Wasserbad aufgerissenen Wiener.
«Die haben da ihre Gourmetsemmeln, und wir müssen Luftpumpen fressen.»
Luftpumpen
, astrein. Kannte ich noch gar nicht. Der Junge schien ein Garant für originelle Ausdrücke zu sein. Dann ging es ab hinter die Bühne zum Umziehen. Verstohlen musterten wir gegenseitig unsere deformierten Körper. Gurki, typischer Leptosom mit dünnen Ärmchen und Beinchen, sah aus wie ein zerrupfter Truthahn. Bleich, unzählige Leberflecke, trotz schmächtigerErscheinung Schwimmring und Autofahrerbäuchlein. Norbert, jugendlich-straffe, leicht gebräunte Haut, jedoch als schweres Handikap ausladendes Becken; er war rhombenförmig. Jens, untersetzt, feist, vierschrötig, Typus Hummel. Torsten, Pykniker wie aus dem Lehrbuch, Rücken, Schultern und Brust stark verpickelt, Oberschenkel dick wie Fußgängerampeln, trotzdem fest, kompakter Gesamteindruck. Ich, weiß wie eine Wand, komplett zugepickelt, wenige unsymmetrische Haarinseln, Ansatz zur männlichen Fettbrust, den sog. Herrentitten, trotz Normalgewichts irgendwie eingefallen, schwabbelig wirkend.
Zentraler Blickfang der
Tiffanys-
Bühnengarderobe waren pinkfarbene Glitzerjackets, die mit einer farblich abgestimmten Fliege und schwarzen Bundfaltenhosen im Stil von Errol-Flynn-Piratenfilmen kombiniert wurden. Gurki hielt mir ein zerschlissenes und ungefähr zwei Nummern zu großes Ersatzsakko vor die Nase:
«Probier mal.»
Hier sollte ein Mensch gebrochen werden.
«Wir lassen demnächst neue maßschneidern.»
«Auch in Rosa?»
«Ja sicher, das muss doch zum Gesamtbild passen.»
Er deutete hinter sich in die Tiefe der Bühne, wo eine ungefähr drei Meter hohe Aluminiumjalousie stand, auf die eine Paulchen-Panther-Figur gesprüht war.
«Ach so, ja.»
Grotesk. Jetzt war ich also plötzlich mittendrin in der Welt von Kater Garfield, Diddlmaus und Paulchen Panther.
«Das Paulchen-Panther-Thema ist auch unsere Pausenmelodie», erklärte Norbert. «Aber nur der erste Teil. Dadapp, dadapp, dadappdadappdadapp dadappdadada dadapp und dann Abschlag. In E.»
Jens klatschte zweimal in die Hände.
«Auf geht’s, es ist Punkt.»
Der Opener des Tanzabends war
Time is tight
, ein etwas debiles Instrumentalstück, dessen Thema lediglich die Brechung eines Sextakkords bildet. Als Zweites der von Jens gesungene romantische Schlager
Sommernacht in Rom
von G. G. Anderson. In G-Dur .
«Sommernacht in Rom, und wir beide träumen,
Sommernacht in Rom, dieser Traum wird bleiben.»
Niemand tanzte. Ich war überrascht von der Disziplinlosigkeit der jungen Schützengeneration.
«Der Zauber der ewigen Stadt führte mich zu dir. Ich fliege zu den Sternen neben dir.»
Knödel knödel. Jens sang irgendwie gepresst, aber mit Herz. Eigenartige Kombination. Intonation mangelhaft.
«Sommernacht in Rom, sie geht nie zu Ende, Sommernacht in Rom, unsere Herzen brennen.»
Tacktacktacktack, Paulchen-Panther-Melodie, Pause. Wir blieben mit gefalteten Händen auf der Bühne stehen. Bereits nach zwei Minuten ging es weiter.
«Auf geht’s. Die Leute müssen in Schwung kommen.
Nordseeküste und Hello Dolly
.»
Bei den ersten Takten von
An der Nordseeküste
ging ein Ruck durchs Zelt. Es war offenbar der erste Trumpf, den wir da aus dem Ärmel schüttelten. Die Schützen waren von ihren Bänken aufgestanden, hatten sich eingehakt und sangen begeistert mit.
«An der
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