Fleisch ist mein Gemüse
noch Sekt da!»
«Auf den neuen Schützenkönig ein dreifach Gut –»
Gegen halb zwei leerte sich das Zelt. Am Tresen wurden nun einschlägige Lieder skandiert, das
Niedersachsenlied
, das
Horst-Wessel-Lied
und noch allerlei andere Weisen, die man erst singt, wenn es schon später ist.
«Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit, ein Prosit, ein Prohosit der Gemütlichkeit. Prost, Prost, Prost, jetzt geit dat wedder los, lalalalalalalalala
(Text vergessen).
Prost, Prost, Prost, jetzt geit dat wedder los. Auf der Lüneburger Heide,
ZACK
.»
Wir spielten zum sechsten Mal
An der Nordseeküste,
und der Korn wurde direkt aus der Flasche getrunken.
«Oléoléoléolé»
. Wir schalteten einen Gang herunter.
«Manche Mädchen kann man sehn, die in langen Hosen gehen, doch Mary Lou hat damit nichts im Sinn, in ihrem hübschen bunten Kleid, ja da ist sie jederzeit schöner als die schönste Königin.»
Swingtime is good time, good time is better time. Endlich wusste ich, was gemeint war. Ich hatte taube Lippen und musste mal groß. Der Pickel war immer noch nicht aufgeplatzt. Wenn ich ihn jetzt mit meinen vor Schmutz starrenden Fingern aufgepult hätte, wäre der Spuk zu Ende gewesen – Blutvergiftung.
«Tanze mit mir in den Morgen, tanze mit mir in das Glück, in deinen Armen zu träumen ist so schön bei verliebter Musik.»
Dann endlich das Abschlusslied,
Blue Spanish Eyes
, Jensens Paradestück. Er presste seine schmalen Lippen ganz dicht ans Mikrophon; es sah aus, als ob er es essen wolle. Später habe ich gesehen, dass sein Mikro, Marke Shure SM-58, komplett mit Speiseresten verklebt war. Aber funktioniert hat es die ganzen Jahre hindurch tadellos. Shure ist eine sehr gute Firma! Als nach dem zweiten Refrain mein Solo an der Reihe war, überkammich plötzlich eine seltsame Lust zu spielen. Trööttrööttrööt, ich holte alles aus der Rotzkanne raus. Wie ein Affe bog ich meinen steifen Körper hin und her. Bei geschlossenen Augen hätte man denken können, da stehe der Saxophonist von Mooooaaarius Müller-Westernhagen oder Tina Turner auf der morschen Festzeltbühne. Mindestens. Mein Handwerk beherrschte ich. Die Kollegen guckten staunend zu mir herüber, und als ich mit dem Solo fertig war, bekam ich doch tatsächlich Szenenapplaus. Ich verbeugte mich. Was für feine Menschen die Schützen doch waren. Sollten sich andere über sie lustig machen, ich nicht.
«Kommen Sie gut nach Hause. Ich hoffe, wir sehen uns morgen wieder, und denken Sie daran: Auch Taxis sind Autos.»
Haha! Den kannte ich auch noch nicht. Feierabend! Gurki holte eine Runde Bier.
«Das war ja wohl echt spitzenmäßig.» Er meinte mich.
«Ja? Findest du? Mir hat’s auch Spaß gemacht.»
«Ich hab in diesem Jahr noch ein paar Fünfmannmucken. Wenn du Zeit und Lust hast …»
Ich hatte den Job!
Eiappetit
Am Sonntag spielten wir nur bis eins, wir mussten nach der Mucke ja noch selber die Anlage abbauen, da sich
Tiffanys
keine Roadies leisten konnten. Heutzutage wiegen Boxen und Mischpult nur noch einen Bruchteil dessen, was sie seinerzeit auf die Waage brachten. Damals war alles schwer, vor allen Dingen die riesigen Boxen und der von uns so genannte Sarg, ein monströser Flightcase, in dem sämtliche Stative verstaut wurden. Er schien aus massivem Industriestahl zu bestehen und konnte selbst von vier ausgewachsenen Männern nur unter Inkaufnahme hoher gesundheitlicher Risiken gewuchtetwerden. Da ich weder wusste, wie man das Mischpult verkabelt, noch mit den Geheimnissen des Lichtaufbaus vertraut war, blieb mir nichts anderes übrig, als Hiwi-Tätigkeiten wie Schleppen und Kabelrollen zu übernehmen. Jedes der mehr als hundert Kabel musste einzeln gerollt werden. Sie starrten vor Dreck und waren mit Bier, Essensresten und toten Insekten verklebt. Die Kollegen packten derweil den ganzen, großen Rest zusammen und verstauten alles im Hänger. Der Abbau dauerte ungefähr eineinhalb Stunden. Nachdem wir in Winsen wieder ausgeladen hatten, wurde der Feierabend offiziell durch das Spiegeleierbraten eingeläutet. Wir machten immer gleich drei oder vier Pfannen heiß, in denen dann Spiegeleier gebraten wurden. Eier, Eier, Eier! Mucken war harte körperliche Arbeit, und die Kollegen hatten einen Bärenhunger. Ich auch, aber mehr als drei Eier brachte ich einfach nicht herunter. Haha, typisch Städter! Schwächlinge! Drei Eier. Lächerliche Spatzenportion! Dabei sind Eier doch das nach Fleisch wichtigste Nahrungsmittel. Der Mensch ist
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