Fleisch und Blut: Der Kannibale (German Edition)
in einem gemütlichen bürgerlichen Restaurant im Zürcher Oberland, das bekannt war für seine hervorragende Schweizer Küche.
«Der Täter will offensichtlich, dass man seine Leichen im Keller findet.»
Carla Fuchs hatte sich die neuesten Ereignisse angehört und kam nach längerem Überlegen zum Schluss, dass der Täter seinen Ablauf konsequent plante und einhielt. Dem musste sie noch auf den Grund gehen. Ihr war klar geworden, dass der Mörder der drei Männer – vielleicht waren es auch einige mehr – stolz auf seine Taten war. Er suchte nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien, sondern auch die der Polizei.
«Sie dürfen sich nicht mit ihm anlegen, das würde ihn möglicherweise zu weiteren Taten anfeuern. Es scheint mir, als wolle er der ganzen Welt zeigen, was für ein toller Hecht er ist», warf die Detektivin nachdenklich ein.
Aemisegger nickte. Er war mit seinem Latein längst am Ende und saugte jedes Wort der Detektivin auf in der Hoffnung, den einen oder anderen Hinweis verwerten zu können.
«Ich denke, einerseits buhlt er um Aufmerksamkeit, aber auf der anderen Seite ist er intelligent genug, um zu wissen, was er tut. Vielleicht wünscht er sich sogar, dass Sie seine grausamen Taten verhindern. Er selber kann sich offenbar nicht mehr kontrollieren.»
Aemisegger schluckte schwer.
«Ja.» Das war alles, was er dazu zu sagen hatte.
«Wo ist ihr Kollege Köppel?», wunderte sich Carla Fuchs.
«Ich habe ihm nach dem weiteren grausamen Knochenfund heute in der Waldhütte für den Rest des Tages frei gegeben.»
«Verstehe.» Die Detektivin nahm zur Kenntnis, dass auch Aemisegger nahe daran war, den Kopf in den Sand zu stecken und widmete sich der Speisekarte. «Wissen Sie schon, was Sie bestellen möchten, Aemisegger?»
«Ich nehme dasselbe wie Sie.» Aemisegger hatte zwar einen Bärenhunger, doch überhaupt keinen Kopf für die Menüs.
«Na nu? So kenne ich Sie gar nicht Aemisegger. Aber wenn Sie meinen: wie wäre es mit einen Appenzeller-Cordon bleu mit Spätzle?»
«Ist mir auch recht.» Ungeduldig wartete er bis Carla Fuchs die Bestellung aufgab. Sogar die hübsche Tischdekoration mit den Blümchen und Servietten fand keine Beachtung bei ihm. Er war wie benommen – fixiert auf seinen Fall.
Die Detektivin wunderte sich wirklich über ihren Kollegen. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, worauf seine Stimmungsschwankungen zurückzuführen waren, hätte sie an ihm zu zweifeln begonnen.
«Lassen Sie uns zum Fall kommen und fassen wir zusammen, was wir haben», schlug Carla Fuchs ihm vor. Ein winziges Fünkchen Hoffnung leuchtete in seinen Augen. Aemisegger nickte ihr dankbar zu.
«Mir fällt auf, dass alle drei Opfer – sowie das Opfer bei der süddeutschen Grenze – männlich sind.»
«Ja, korrekt.»
«Was ist los mit Ihnen Aemisegger?», die Detektivin hatte entschieden, den Kommissar auf sein störrisch-gequältes Verhalten anzusprechen. Langsam machte sie sich Sorgen um ihn. Seine Laune war nicht auszuhalten. Er musste wieder in die Gänge kommen, zurück zu sich selber finden. In seinem jetzigen Zustand würde er nicht einmal einen 16-jährigen Kleinkriminellen überführen.
«Was soll wohl mit mir los sein?», antwortete er genervt. Natürlich wusste er, dass sie nicht unrecht hatte. Aemisegger beschloss, sich ab sofort zusammenzureissen. «Wissen Sie, Frau Fuchs, ich stelle mir immer dieselben Fragen. Es ist, als drehte ich mich zum x-ten Mal im Kreis», gab er zu.
«Welche Fragen?»
«Ich frage mich natürlich, wer ist unser Täter? Und ich würde gerne wissen: Was für ein Mensch tut so etwas? Was ist sein Motiv? Unklar ist mir auch, was er mit seinen Opfern anstellt, bevor er sie tötet. Oder zersägt er sie sogar lebendigen Leibes, müssen seine Opfer ihrem Tod ins Auge sehen und werden bei vollem Bewusstsein abgeschlachtet?»
Die Detektivin wartete einen Moment, bevor sie auf Aemiseggers Gedanken einging. «Die Antworten werden wir bald haben, davon bin ich überzeugt.»
Verwundert blickte Aemisegger auf. Wie konnte sie so überzeugt sein, dass der Täter jemals gefasst würde. Doch er biss sich auf die Zunge. Aemisegger wusste, dass er derzeit sehr zynisch sein konnte. Sein Leidensdruck war enorm.
Nachdem das Essen serviert wurde, und ihnen der Duft des Cordon bleus in die Nase zog, zeigte sich Aemisegger etwas versöhnlicher. Sein Hunger hatte merklich zu seiner schlechten Laune beigetragen.
«Wenn Sie mich fragen, ist in
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