Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
besuchen.
Termine, Stress und Arbeit hatte n ihr Steine in den Weg gelegt, de r mit der U-Bahn innerhalb von nur zwanzig Minuten zu Amanda geführt hätte.
„Jetzt ist nicht der richtige Zeit punkt sich Vorwürfe zu machen“, sagte Claire zu sich selbst und stellte den Motor ab.
Sie stieg aus dem Wagen und blieb einen Augenblick lang vor dem vierstöckigen Ziegelbau stehen, in dem Amandas Wohnung lag. Dann nahm sie die Schlüssel aus ihrer Handtasche und öffnete die Haustür . Der Aufzug brauchte sie in den vierten Stock, in dem, neben Amandas Wohnung , nur noch zwei weitere Wohneinheite n waren. Claire schloss die Tür auf und betrat den kleinen Flur, von dem alle Räume abgingen.
Das erste, was ihr auffiel, war der schwere, eklige Geruch in der Wohnung. Sie brauchte einen Augenblick, um ihn genau zu identifizieren. Sie atmete ein paarmal tief ein und die Erkenntnis brach gleich über sie herein und sorgte dafür, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte:
Knoblauch.
In Amandas Wohnung roch es eindeutig nach Knoblauch.
Es roch nicht – es stank widerlich. Claire konnte spüren, dass ihr Magen kurz davor war, den Schleudergang einzulegen. Sie zwang si ch, nur durch den Mund zu atmen - fest dazu entschlossen ihr Frühstück um jeden Preis bei sich zu behalten.
Bei den ersten paar Atemzügen konnte sie spüren, wie das widerliche Aroma in ihrem Hals kratzte, wie der Vorbote ein er schlimmen Erkältung. Einige Atemzüge später glätteten sich jedoch die Wogen dieser Empfindung und sie bekam wieder ganz normal Luft.
Doch der Knoblauchgesta nk war nicht das E inzige, was Claire sofort komisch vorkam. Nachdem sie die Wohnungstüre geschlossen und somit die Beleuchtung vom Gang ausgesperrt hatte, stand sie in nahezu vollkommener Dunkelheit. In ihrer Erinnerung war die Wohnung ihrer Schwester nach Süden ausgerichtet. Daher müsste sie um diese Uhrzeit lichtdurchflutet und sehr hell sein , dachte sie . G enau das Gegenteil war aber der Fall: Es war stockdunkel und stickig wie in einem Fuchsbau.
Im Wohnzimmer, das genau vor Claire lag, erkannte sie nur einige dünne Lichtstreifen, welche die Dunkelheit im Raum in geometrische Muster teilten. Staub wirbelte durch die Lichtstrahlen und in dem schwachen Schimmer konnte Claire die Umrisse der Möbel erahnen, die sich ein bisschen von der Dunkelheit abhoben. Ansonsten war jedoch nichts zu erkennen.
Claire betätigte den Lichtschalter im Gang und ging dann ins Wohnzimmer. Nachdem sie auch dort das Licht angemacht hatte, merkte sie, dass die Rollos an sämtlichen Fenster n heruntergelassen waren.
Sie ging an eines der Fenster, und kurbelte das Rollo hoch. Dann öffnete sie beide Flügel des Doppelfensters und ließ Sonnenlicht und frische Luft in den Raum. Die Vorhänge spannten und blähten sich im Wind, wie die Segel eines Zweimasters. Gleichzeitig legte sich das Kratzen in Claires Hals und mit ihm verflog auch ein bis schen die Anspannung, die sie an diesem Tag genauso beharrlich verfolgte, wie ihr eigener Schatten.
Erst dann schaute sie sich im Raum um. Couch, Tisch, Stühle, Fernseher – alles schien auf den ersten Blick normal zu sein. Das Zimmer war aufgeräumt und vermittelte einen gemütlichen Eindruck.
Doch gerade dieser Ein druck war es, der für Claire überhaupt nicht z u Amandas Zustand passte. Sie wusste zwar noch immer nicht so recht, was sie sich von dem Besuch in Amandas Wohnung erhofft hatte. Dennoch war sie sich sicher, dass ein bisschen Unordnung eher zu einer Frau gepasst hätte, die gerade in einer psychiatrischen Klinik ans Bett gefesselt war.
Nein, Unordnung war nicht das richtige Wort, dachte Claire. Vielmehr hatte sie erwartet , ein heilloses Durcheinander vorzufinden. Ein Durcheinander biblischen Ausmaßes, um genau zu sein – mit angetrockneten Essensresten auf den Möbeln und Abfällen, die sich meterhoch türmten . Stattdessen erinnerte das Wohnzimmer an den Ausstellungsraum eines Möbelhauses. Alles war sauber, aufgeräumt und steril. Der Eindruck, dass etwas an der Wohnung nicht stimmte, begann sich allmählich zu erhärten.
Claire legte ihr e Handtasche auf dem Sofa ab und zog anschließend ihren Mantel aus. Da sie aus dem ersten Eindruck von der Wohnung nicht schlau geworden war, musste sie die restlichen Räume genauer unter die Lupe nehmen. Wie so oft, war es auch diesmal ihr Spürsinn, der ihren Gedanken den Takt vorgab.
Du musst etwas finden! Etwas, das dir dabei hilf t, zu verstehen, was mit Mandy passiert ist.
Sie ging in
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