Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
Kuriositäten genoss der junge Mann am meisten die Beschreibung all der fremden Länder und Städte, die der Autor bereist hatte.
Insgeheim fragte er sich , ob das Schicksal es auch ihm eines Tages vergönnt hatte , eines dieser fremden Länder zu sehen und so wie der Kapitän, in fremden Städten Freunde zu finden.
In Hongkong vielleicht, in Buenos Aires oder sogar in New York ? Immer wieder hielt er beim Lesen inne und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl wäre , irgendwo anders zu leben. I n einem der vielen unbekannten Orte, die er nur aus dem Büchlein kannte.
Und wie so oft verbracht e der junge Mann auch diesen Vormittag damit, seinen Tagträumen hinterher zu jagen. Und auch an diesem Tag, schlief er nach einiger Zeit ein und träumte davon, Seite an Seite mit dem Kapitän, die Welt zu erkunden.
Doch dieses Mal war sein Schlaf unruhig und die Träume darin waren wirr. Egal , wo hin es ihn auch verschlug , er wurde gehetzt. Die Menschen in seinem Traum waren allesamt böse. Dunkle Gestalten mit blutroten Augen, vor denen er sich in Acht nehmen musste. Sie musterte n ihn mit gierigen Blicken und fletschten die Zähne wie tollwütige Hunde. Er hatte Angst, dass sie jederzeit über ihn herfallen könnten, um ihn in Stücke zu reißen.
Schließlich erwachte er nach einiger Zeit , mit leichten Kopfschmerzen und mit dem komischen Gefühl beobachtet zu werden.
Erschrocken fuhr er hoch und blickte sich um. Doch es war nichts zu erkennen. Die Schafe grasten weiterhin ruhig und die Hunde...
Wo sind die Hunde?
...waren nirgends zu sehen. Er begann schon unruhig zu werden, als er die beiden Hunde schließlich doch erblickte. Sie lagen etwas abseits inmitten eines Grüppchens von Schafen und hielten Ausschau in Richtung des Waldes.
Die Gewissheit, dass alles in Ordnung war, beruhigte den jungen Mann. Dennoch konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden .
Wenn er sich vom Wald abwandte, dann konnte er regelrecht fühlen, wie sich ein eisiger Blick in s einen Rücken bohrte. K alt, wie die Spitze eines Messers. Doch wenn er sich zum Wald umwandte, war nichts zu erkennen. Der Wald lag verlassen da , wie immer . A ußer dem Rascheln der Baumw ipfel und dem Blöken der Schafe, war kein Geräusch zu vernehmen.
Er wandte sich ab, setzte sich auf den Baumstamm und schlug erneut sein Buch auf, um sich abzulenken.
Vergebens.
Seine Augen tanzten über die Zeilen, ohne die Worte zu verstehen, die er las. Er versuchte es einig e Male und zwang sich, jed es einzelne Wort genau zu lesen. D och es gelang ihm nicht, sich zu konzentrieren. Das Gefühl beobachtet zu werden war inzwischen so stark geworden, dass es ihm davor graute, sich umzudrehen.
Dennoch überwand er sich dazu und blickte wieder in Richtung des Waldes. Sein Herz sch lug aufgebracht in seiner Brust. W ährend dessen wärmte sein Gehirn all die alten Geschichten auf , die ihm seine Großmutter erzählt hatte, als er noch ei n Kind gewesen war. Ihr e Stimme stieg plötzlich aus seinem Unterbewusstsein empor, wie Wasser aus einer verborgenen Quelle.
Es waren Geschichten, von schlimmen Dingen und großen Schrecken, die unfolgsamen Kindern zustießen. Geschichten von Dämonen und anderen dunklen Gestalten, die es auf unartige Kinder abgesehen hatten.
Die Erinnerung daran wurde so lebendig, dass für einige Augenblicke die krächzende Stimme seiner Großmutter in seinen Gedanken auflebte:
Sei vorsichtig, mein Junge . Draußen in den Wäldern hausen böse Kreaturen, die nur darauf warten, dass sich ein Kind zu ihnen verirrt. Ein brave s Kind, das die Regeln seiner Eltern befolgt, hat sie nicht zu fürchten. Aber die schlimmen Kinder, die sich überall herumtreiben, wie streunende Hunde, werden früher oder später von den Dämonen...
... gefressen . Ja, dachte er, das hatte sie gesagt: Die schlimmen Kinder werden gefressen.
Noch immer stand er reglos da und blickte quer über die Lichtung . Das Gefühl, beobachtet zu werden , war inzwischen so stark, dass es schon beinahe unter seinen Fingernägeln brannte.
Er griff in seine Hosentasche und holte das Messer hervor, mit dem er zuvor beim Frühstück das Brot geschnitten hatte. Seine Handflächen waren nass und d er Holzgriff des Messers fühlte sich glitschig darin an , wie ein nasses Stück Seife . D ennoch empfand er es als beruhigend, das Messer gezogen zu haben. Ein Teil seiner Unruhe glitt von ihm ab.
„Ist da jemand?“, rief er in Richtung des Waldes. Doch seine Stimme klang
Weitere Kostenlose Bücher