Flesh Gothic (German Edition)
das als exzentrisch bezeichnen kann – ein Ritualmord, mich erinnerte es an einen Transpositionsritus.«
Adrianne lächelte mit schmalen Lippen. »Ich glaube nicht an Transpositionsriten.«
»Nein, aber du glaubst an Gott.« Cathleen seufzte und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. »Ich schätze, das tun wir alle auf die eine oder andere Weise. Leute in unserer Branche.«
Schuld, ging es Adrianne durch den Kopf. Der Gedanke bescherte ihr eine geheime Befriedigung. Scham. Sie weiß, dass ihr Leben eine Orgie christlicher Sünden ist ...
»Und dann verschwindet der Kerl, fast so, als wäre das Ritual erfolgreich verlaufen. Fast so, als hätte er ein Portal geöffnet und wäre hindurchgegangen.«
In Adriannes Einwand schwang eine gewisse Schärfe mit. »Er ist nicht verschwunden«, sagte sie und kramte in der vorderen Tasche ihrer Reisetasche. »Er hat nach der Tat Selbstmord begangen. Die Leiche wurde aus dem Haus abtransportiert und einer Autopsie unterzogen. Er hat sich erhängt.«
Cathleen hielt das Gesicht mit geschlossenen Augen nach vorn gerichtet. »Es gab nur eine Todesanzeige ganz hinten in der Lokalzeitung. Die hast du gefunden?«
Adrianne faltete ihre Fotokopie auseinander. »Ich habe das hier, außerdem habe ich den Polizeibericht und die Vorabfassung der Meldung.«
Cathleen nahm das Blatt entgegen, betrachtete es mit wenig Interesse und gab es ihr zurück. »Sei doch nicht naiv.«
»Woher weißt du es?«, entfuhr es Adrianne, diesmal beinahe so laut, dass andere ihre Stimme hören konnten.
Cathleen seufzte müde, nach wie vor mit geschlossenen Augen. »Adrianne ...«
»Was? Hast du einen Kontakt gehabt?«
»Entspann dich. Du bist immer so aufgedreht ...«
Adrianne schäumte schweigend vor sich hin. Pfeif auf sie. Wahrscheinlich hatte sie gar keinen Kontakt gehabt und will nur, dass ich es glaube . Die Vorstellung brachte sie zur Weißglut, doch was sie noch wütender machte, war, dass diese umwerfende, wunderschöne Frau sämtliche Unzulänglichkeiten von Adrianne gleichzeitig herauskitzelte.
»Warten wir einfach, bis wir dort sind. Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist das Ganze fingiert, und wenn es so ist ... was soll’s? Wir erledigen lediglich einen Auftrag. Die Leute bezahlen uns, weil sie an uns glauben. Wenn wir schon im Voraus wüssten, dass es hier nur um eine durchgeknallte Frau mit massenhaft Geld und ein ungeladenes, völlig kaltes und absolut gewöhnliches Haus ginge, was würden wir dann tun?«
Adrianne gab es zu. »Wir würden wegen des Gelds trotzdem hinfliegen.«
»Ja. Natürlich würden wir das. Weil wir Söldnerinnen sind, genau wie jeder andere mit einer bestimmten Begabung. Wenn jemand einen Handwerker engagiert, um das Dach neu zu decken, der aber sieht, dass das alte noch völlig in Ordnung ist, deckt er es trotzdem neu ... weil der Kunde es verlangt und dafür bezahlt.«
Sind wir wirklich so?, fragte sich Adrianne. Sie zog es vor, nicht genauer über die Antwort nachzudenken.
»Ich habe auf einer Website gelesen, dass deine PK völlig erloschen ist«, sagte Adrianne, um von dem unangenehmen Thema abzulenken. »Das stimmt doch nicht, oder?«
Unverhofft klappte Adriannes Plastiktischchen auf ihren Schoß herunter. Sie drückte es zurück und sicherte es mit dem Drehriegel. »Sehr komisch.«
»Ich mache es nur nicht mehr, aber ich erzähle den Leuten, dass ich es nicht mehr kann«, gestand Cathleen. »Bereitet mir zu viel Kopfschmerzen. Vor allem seit dem Unfall. Ich bin sicher, du hast davon gehört.«
Natürlich hatte Adrianne davon gehört – jeder in der Branche hatte das. Eine Fernsehdokumentation über übernatürliche Kräfte. Mehrere kräftige Männer hoben einen Fachwerkrahmen aus Kanthölzern etwa hüfthoch vom Boden. Ein weiterer Mann – der Produzent der Sendung – kroch darunter, dann ließen die anderen den Rand des Rahmens los. Einige Sekunden lang schwebte er in der Luft, bevor er krachend herunterdonnerte. Der Produzent hatte das Experiment mit mehreren gebrochenen Rippen und einer lädierten Nase teuer bezahlt.
»Das klingt jetzt wahrscheinlich schrecklich, aber es tut mir nicht leid«, fuhr Cathleen fort. »Wegen dem Kerl, meine ich. Damals datete ich ihn – naja, eigentlich betrog ich meinen Mann mit ihm – und der Mistkerl drohte mir. Er sagte, wenn ich nicht in seiner albernen Fernsehsendung auftrete, würde er meinem Mann von unserer Affäre erzählen.«
»Manche Menschen verdienen, was ihnen widerfährt«, pflichtete Adrianne ihr
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