Flesh Gothic (German Edition)
Ruhe. Es mag eine strapaziöse Aufgabe sein, aber ... dafür möchte ich Sie engagieren.«
»Was meinen Sie mit Videobeweisen?«
»DVDs und digitale Masterbänder. Meinem Mann gehörte eine Firma, die Erotikfilme produziert. Er hat das Unternehmen vor einiger Zeit zu 100 Prozent übernommen und Studio und Verwaltung in die Villa verlegt. Ich rede von Pornografie, Mr. Westmore. Mein Gatte war ein äußerst sexbesessener Mensch. Er hat sich quasi 24 Stunden täglich mit sexueller Energie umgeben.«
Also das ist wirklich abgefahren. Diese Frau zahlt mir ein Vermögen dafür, dass ... ich mir Pornos ansehe?
»Reden Sie mit niemandem über das, was sie herausfinden – das ist von entscheidender Bedeutung. Ich vertraue nur Karen und Mack, meinem Sicherheitschef. Bei den anderen bin ich mir nicht so sicher. Es handelt sich ebenfalls um Schriftsteller.«
Ich wusste es . »Was können Sie mir über die Villa sagen?«
»Sie ist ... unbeschreiblich. Sie ähnelt nichts, was Sie je zuvor gesehen haben. Und sie hat eine ... bewegte Vergangenheit, wie Sie im Zuge Ihrer Arbeit zweifellos feststellen werden.« Dann lächelte sie.
Westmore fühlte sich von so vielen Überraschungen innerhalb so kurzer Zeit überrumpelt. »Mrs. Hildreth, Sie bezahlen mir einen Haufen Geld und ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, was Sie genau von mir erwarten.«
»Letztlich möchte ich wissen, wo mein Mann ist. Darüber hinaus will ich die Gründe für seine Besessenheit erfahren. Mein Gatte hat sich auf irgendetwas vorbereitet, von dem er glaubte, dass es sich in Zukunft ereignen würde. Mich interessiert, worum es sich handelt und wann es passieren wird. Verlieren Sie das bei Ihrer Arbeit bitte nie aus dem Blick.«
Westmore konnte sich nur matt in den Stuhl aus Drahtgeflecht zurücklehnen. Er warf in einer resignierenden Geste die Hände in die Luft. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Als Vivica Hildreth den Kopf etwas drehte, wurde ihr Gesicht durch den geänderten Winkel in Dunkelheit getaucht.
»Ich glaube nicht an den Teufel, Mr. Westmore. Mein Mann hingegen schon.«
Kapitel 3
I
Nyvysk war kein besonders empfindlicher Mensch, was er dankbar hinnahm. Immerhin hatte er im Laufe der Jahre schon so einiges mitgemacht. In Ninive etwa schickte man ihn in den 1980ern vor den Irakkriegen zur Stätte der Bibliothek des Aššurbanipal, wo ihm ein Exorzismus an einer einheimischen Frau misslang, die zraetisch zu sprechen schien, den ersten Protodialekt des göttlichen Tabernakels. Angeblich handelte es sich um die Sprache, die schon vor Adam und Eva benutzt worden war. Nyvysk hatte in seinen katholischen Gewändern, Die Riten des Exorzismus in der herabgesunkenen Hand, beobachtet, wie ein junger Kurde Mitte 20 ein widerliches Sekret aus den Augen der Frau ableitete. Danach hatte sie einen Haufen lebendiger Frösche erbrochen. Nyvysk erinnerte sich noch an den Namen des jungen Mannes – Saeed – und an die Wirkung seiner Behandlung. Die Einheimische war schlagartig geheilt gewesen und Nyvysk hatte als faszinierter Versager da gestanden.
All das und vieles mehr hatte er gesehen.
Nachdem er von der 275 abgefahren war, lenkte er den Van zu einer Citgo-Tankstelle. Ich habe keine Ahnung, wo ich hinmuss , wurde ihm mit einem Kichern bewusst. Eigentlich hatte er diesen Auftrag gar nicht annehmen wollen. Er betrachtete sich gern als Teilzeitrentner. Und das Geld brauchte er nicht wirklich – trotz der 50 Prozent, die er an die Kirche abführte, verdiente er mit seinen Büchern genug. Aber irgendetwas an der Einladung der Frau ...
Und um ehrlich zu sein, musste Nyvysk zugeben, dass er sich schrecklich langweilte.
Er fuhr einen weißen, unscheinbaren Ford-Kastenwagen. Offenbar war er falsch abgebogen und so in dieser schmuddeligen Strandortschaft gelandet. Einige Bauarbeiter beluden gerade ihre Fahrzeuge. Einer nickte ihm zu, als wären sie alte Kollegen. Natürlich hätte man Nyvysk in dem verbeulten Van und mit seinem ungepflegten Bart ohne Weiteres für einen Tagelöhner aus der Provinz halten können. Der Gedanke belustigte ihn. Dein Wagen ist voll Werkzeug. Willst du raten, was ich transportiere?
Sein Vorname lautete Alexander. Er war 1,95 Meter groß und 60 Jahre alt. Durch die viele Feldarbeit für die Diözese machte sein Körper einen abgehärteten Eindruck. Nicht wie bei einem typischen Priester. Wenn die mich jetzt sehen könnten , dachte er, als er sein Spiegelbild in der Scheibe des kleinen Tankstellengebäudes erblickte. Ich
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