Flesh Gothic (German Edition)
betete: Ja, Herr, diesmal werde ich wirklich Mut brauchen. Bitte verleih mir die nötige Stärke.
Als er die Augen wieder öffnete, bemerkte er, dass sich die riesige Bogentür des Hauses geöffnet hatte. Jemand stand genau in der Mitte und winkte ihm zu.
II
»Ich fühle mich geschmeichelt, dass Sie mich attraktiv finden«, sagte Vivica Hildreth mit verengten Augen. Sie schlug auf dem Drahtgeflechtstuhl die überkreuzten Beine erst auseinander, dann wieder übereinander. »Jeder wird gern bewundert, auch wenn er so tut, als wäre das nicht so.«
Westmore kippte beinahe aus dem Sitz; die Plötzlichkeit der Äußerung – ein völliger Themenwechsel – brachte ihn total aus dem Konzept. Er errötete, denn er wusste, weshalb sie das gesagt hatte. »Ich ... entschuldige mich. Ich muss Sie wohl angestarrt haben. Das wollte ich nicht.«
»Nicht angestarrt – eher gemustert. Keine Sorge, Mr. Westmore. Ich fühle mich dadurch besser. Die meisten Männer schrecke ich eher ab.«
Allmählich gewöhnte sich Westmore an die Merkwürdigkeit des gesamten Tages. »Ich wüsste nicht, weshalb. Sie sind eine überaus interessante Frau.«
Sie nahm das Halstuch mit dem Paisleymuster ab. Unter dem T-Shirt zeichneten sich ihre Brüste ab. Er vermutete, dass sie jetzt ganz unverhohlen mit ihm flirtete. »Und Sie sind ein äußerst faszinierender Mann. Es ist bedauerlich, dass wir rein gar nichts miteinander gemein haben.«
Nun konnte Westmore nur noch den Kopf schütteln und lachen. »Ach was! De Kooning?«
»Ganz zu schweigen davon, dass ich meinen Gatten nie betrügen würde. Falls es Ihnen aber gelingt, nachzuweisen, dass er tot ist ... wer weiß, was die Zukunft dann bereithält?«
Ich glaub das einfach nicht ...
Ihre Stimme wurde etwas leiser. »Wissen Sie, was die Zukunft bereithält?«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Nun denn. Die Zeit ... wird es weisen.« Ihre vorstehenden Brüste eilten den Worten voraus – die Popbaronin in Flipflops mit den strahlenden Augen. »Ein seltsamer Tag, was, Mr. Westmore?«
»Ja.«
Sie stand auf und wies mit der Hand zum Ausgang. »Ihnen steht eine äußerst seltsame Woche bevor. Viel Glück.«
Ich schätze, das bedeutet, dass ich jetzt gehe . Er erhob sich ebenfalls und schüttelte erneut ihre Hand. Als sie sich berührten, spürte er ein statisches Knistern.
»Wie gesagt, neben Ihnen werden noch andere im Haus sein, aber vergessen Sie nie, für wen Sie arbeiten.«
Westmore zog eine Augenbraue hoch. »Ich dachte, ich arbeite für Sie.«
»Das tun Sie, und falls Sie während Ihres Aufenthalts im Haus meines Mannes auf etwas ... Heikles stoßen, sollen Sie das niemandem sonst mitteilen. Erstatten Sie mir Bericht, nur mir. Ich bin jederzeit auf meinem Mobiltelefon erreichbar. Geben Sie die Nummer auf keinen Fall weiter.«
»Verstanden«, sagte Westmore, obwohl er eigentlich immer noch nicht viel verstand. Ich schätze, sie will, dass ich so viel wie möglich darüber herausfinde, was in jener Nacht passiert ist und wo ihr Mann steckt . Derzeit wusste er praktisch nichts über Reginald Hildreth ... abgesehen davon, dass seine Todesanzeige gefälscht war. Und er konnte keiner Menschenseele davon erzählen, wenn er nicht wollte, dass Vivicas Anwälte ihm das Leben zur Hölle machten. Sie hatte es erst vor einer Minute treffend zusammengefasst: Es würde eine äußerst seltsame Woche werden.
Sie begleitete ihn ins Foyer. »Ich möchte, dass Sie morgen anfangen. Ist das für Sie annehmbar?«
»Klar.«
»Das freut mich. Dann gehen Sie jetzt und bereiten sich in Ruhe vor. Karen wird Sie nach Hause fahren. Sie gibt Ihnen einige Unterlagen mit und natürlich dürfen Sie sie mit Fragen löchern. Übrigens verbringt sie die kommenden Wochen ebenfalls in dem Haus.«
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Westmore und wünschte sofort, er hätte es nicht getan. Sein reaktives Flirten mutete – im Gegensatz zu ihrem – unheimlich laienhaft an. »Bekomme ich Sie dort auch zu Gesicht?«
»Ich habe noch nie einen Fuß in dieses Haus gesetzt, Mr. Westmore«, erwiderte sie und ließ ihn stehen wie einen dummen Schuljungen.
Als Westmore über die Straße ging, dachte er darüber nach, was Vivica Hildreth über die Motivation, ihn zu beauftragen, gesagt hatte: Mein Gatte hat sich auf irgendetwas vorbereitet, von dem er glaubte, dass es sich in Zukunft ereignen würde. Mich interessiert, worum es sich handelt und wann es passieren wird. Verlieren Sie das bei Ihrer Arbeit bitte nie aus dem Blick.
»Worauf
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