Flesh Gothic (German Edition)
verstehen.«
Westmore schien zu begreifen, dass es sich im Augenblick um ein ungünstiges Thema handelte. »Was ist mit all diesen Namen?« Er zeigte auf die Messingtafel über dem Salon. »Wer ist Jean Brohou?«
»Ein französischer Astrologe. Viele der Räume hier haben Namen – einer von Hildreths zahlreichen Spleens und ein ziemlich geschmackloser, wenn Sie mich fragen. Hellseher, Wahrsager, Hypnotiseure, Alchemisten, Hexer. Und es wird schlimmer, je weiter man sich in den Stockwerken nach oben begibt. Das größte Schlafzimmer heißt Loudun-Suite, benannt nach den besessenen Nonnen. Der Turm im fünften Stock trägt den Namen De-Rais-Kapelle. Wahrscheinlich haben Sie schon von ihm gehört.«
»Satanismus, Okkultismus. Sie glauben also, Hildreth hat sich wirklich mit diesem Kram befasst?«
»Ja«, bestätigte Willis.
»Tja, ich glaube nicht an dieses ganze Zeug, allerdings bin ich nicht so engstirnig, zu behaupten, dass ich mich nicht vom Gegenteil überzeugen ließe. Ich glaube nur, was ich selbst gesehen habe.«
Willis nickte. Er fühlte sich ausgelaugt. »Dann betrachten Sie sich als gesegnet und danken Sie Gott dafür, dass Sie nicht sehen können, was wir sehen«, sagte er und ließ ihn stehen.
III
Wow, das nenne ich mal ein Arbeitszimmer!, dachte Westmore. In einer Hinsicht erwiesen sie sich alle als gleich: Sie wirkten überladen. Auf den ersten Blick eine entspannte, ruhige Atmosphäre mit schweineteuren Möbeln und wunderschönem Dekor. Bis er die Bücherregale näher unter die Lupe nahm. Er betrachtete ein Buch nach dem anderen und die Falten in seiner Stirn wurden immer tiefer.
Die Synode der Aoristen, Die rote Beichte, Die geheimen Äußerungen des Josef von Arimathäa und so weiter. Obwohl er viel auf seine gute Allgemeinbildung gab, hatte Westmore noch nie von einem der Bücher gehört. Ein weiteres, spitz zulaufendes Regal enthielt eine noch weitaus beunruhigendere Auswahl, die vermutlich eine Menge über den wahren Hildreth verriet: Die Grimoires des schwarzen Blutes, Moderne Teratologie und andere biologische Unfälle, Der fotografische Leitfaden zu Schussverletzungen, Stichwunden und traumatische Vergewaltigung für Feldforscher . Ein Blick auf die Fotostrecken im letzten Band ließ Westmore regelrecht taumeln. Ein großformatiger Atlas mit rotem Ledereinband ohne Titel brachte ihn beinahe dazu, sich zu übergeben: Er enthielt alte Schwarz-Weiß-Fotos von Männern, die Sex mit behinderten und deformierten Frauen hatten.
»Scheiß auf das Arbeitszimmer«, sagte er laut, durch und durch angewidert. Hildreth war ein kranker Spinner . Mit langen Schritten verließ er den Raum und selbst bei der bloßen Erinnerung an das Gesehene kam ihm das letzte Essen wieder hoch. »Scheiße ...« Am Ende des Flurs fielen ihm merkwürdig angebrachte Vorhänge auf, die unmöglich ein Fenster verdecken konnten; er schaute dahinter und fand eine schmale Treppe vor. Westmore stieg hinauf. Ich bin erst seit einer Stunde hier und hab schon die Schnauze voll von diesem irren Fleckchen Erde und dem Rudel Sonderlinge da unten . Doch er wusste, dass seine üble Laune auch einer gewissen Unsicherheit geschuldet war. Er wurde dafür bezahlt, in der kommenden Woche einen Bericht abzuliefern und hatte nach wie vor keine Ahnung, wie er das anstellen sollte.
Der dritte Stock schien deutlich dunkler und beengter zu sein. Im Flur war entschieden weniger Platz. Düstere Porträts unheimlicher Männer und Frauen starrten mit finsteren Mienen zwischen kunstvollen Rahmen hervor. Vorhänge mit Quasten zierten schmale Buntglasfenster, die nur wenig Licht durchließen. Die besondere Atmosphäre, die Westmore anfangs noch als faszinierend empfunden hatte, machte ihm allmählich zu schaffen.
»Mr. Westmore. Kommen Sie kurz hier rein. Das möchten Sie sich bestimmt ansehen.«
Westmore hatte Nyvysk in der Düsternis des Ganges zuerst gar nicht bemerkt. Aus der Ferne zeichnete er sich als Umriss vor dem Buntglasfenster am Ende des Flurs ab; als großer, zotteliger Schatten, der in diesem Moment überaus bedrohlich wirkte. Westmore folgte ihm in einen Raum mit greller Neonbeleuchtung.
»Mann, hier sieht es aber alles andere als gotisch aus«, stellte er fest.
»Ja, es bildet einen krassen Gegensatz zu allem anderen, aber vielleicht ist das ein weiteres Anzeichen für Hildreths Falschheit. Er hielt seinen Materialismus geheim.«
Der Raum quoll fast über vor lauter Computern, Monitoren und anderen audiovisuellen Apparaturen.
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