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Flesh Gothic (German Edition)

Flesh Gothic (German Edition)

Titel: Flesh Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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formlose Schemen blickten auf ihn herab und beugten sich näher zu ihm. Als er die Hände ausstreckte, um sie abzuwehren, stießen seine Finger auf etwas, das kein festes Fleisch war, sondern etwas nur halb Greifbares. Er fühlte sich an ein mit Ruß durchsetztes Gas erinnert, das so dicht war, das man es fühlen konnte. Ihm fielen Gesichtszüge auf – oder eigentlich eher deren Abwesenheit: keine Nasen, Augen oder Ohren, nur große, feuchte Münder voller sich schlängelnder Zungen ...
    Als es ihm schließlich gelang, den Griff zu erreichen, sah er mit Schaudern, wie die Hand eines anderen Mannes die Tür öffnete. Er war nackt, hatte kurze Haare und Blutschlieren an Armen und Beinen. Er schleppte einen Eimer aus dem Raum – ein anderer Mann trug zwei weitere. Dann ging ein dritter Mann hinaus, ebenso unbekleidet. Er hielt an der offenen Tür kurz inne und blickte mit einem Grinsen auf den hilflosen Willis herab.
    Willis wusste intuitiv, dass es sich um Reginald Hildreth handelte.
    Als Willis umkippte, schoss seine Hand vor, um seinen Fall zu bremsen, und landete dabei auf dem abgetrennten Kopf einer Frau. Bewegte sich der Mund etwa noch? Willis wollte es gar nicht so genau wissen.
    Mit einer ungeheuren Kraftanstrengung hechtete er vorwärts und beförderte sich aus dem Salon.
    Im Flur rannte ein Mann herbei. »Scheiße! Alles in Ordnung?«
    Orientierungslos wirbelte Willis herum. Ihm war immer noch übel. Er hatte keine Kontrolle darüber, was aus ihm hervorsprudelte: »Großer Gott, gehen Sie nicht rein, gehen Sie da bloß nicht rein!« Dann schrie er auf und zuckte zurück, als der andere Mann versuchte, ihm aufzuhelfen. »Fassen Sie mich nicht an!«
    »Schon gut, schon gut ...« Der Neuankömmling trat einen Schritt zurück. Er sah aus wie Ende 30 und hatte langes, etwas zotteliges dunkles Haar. Willis bemühte sich, ruhig zu atmen und sich zu sammeln, was ihm jedoch noch nicht ganz gelang.
    »Was ist passiert?«, wollte der andere Mann wissen.
    Die Bilder brandeten immer noch durch Willis’ Geist. »Köpfe, Körper. Überall Blut ...«
    Der Unbekannte blickte kurz in den Raum. »Ich kann nur einen Haufen exquisiter Möbel und einen teuren Teppich, der aussieht, als hätte sich jemand darauf übergeben, entdecken.«
    Beruhige dich, beruhige dich ... Willis atmete weiter tief durch. Passiv wiederkehrende Aktivitäten. Harmlos . Aber die Empfindungen waren so verdammt intensiv gewesen. Jetzt, wo er darüber nachdachte, musste er in Erwägung ziehen, dass die Bilder unter Umständen eher aktiv als passiv gewesen waren. Der letzte Mann, der gegangen war – Hildreth –, hatte eindeutig auf ihn herabgeblickt.
    »Soll ich Mack rufen? Vielleicht brauchen Sie einen Arzt.«
    »Nein, nein.« Oh Scheiße! Was habe ich gerade nur alles vor mich hingebrabbelt?
    Willis brauchte lediglich eine weitere Minute, um wieder zur Vernunft zu kommen. Noch einige Atemzüge, dann ein Seufzen. »Es geht mir gut. Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Ich war ... in einem Zustand, den man als Schock bezeichnen könnte.«
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen auf.«
    Willis zog seine Handschuhe aus der hinteren Hosentasche und streifte sie über, dann streckte er dem Anderen die Hand entgegen. Der Unbekannte zog ihn auf die Beine. Willis lehnte sich ans Treppengeländer.
    »Ich bin Richard Westmore. Sind Sie Willis?«
    Willis nickte.
    »Warum die Handschuhe? Haben Sie Angst vor Keimen oder so?«
    Willis lächelte und wischte sich mit einem Taschentuch über Mund und Stirn. »Das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen ein andermal erzähle. Ich nehme mal an, Sie sind das fünfte Mitglied unseres Teams. Der Schriftsteller?«
    »Ja. Unten wurde ich darüber informiert, dass wir alle im Atrium schlafen, aber Nyvysk meinte, ich könnte mir ein beliebiges Zimmer zum Arbeiten aussuchen.«
    »Was immer Sie tun, nehmen Sie nicht diesen Raum«, riet Willis und deutete erschöpft auf den Jean-Brohou-Salon.
    Westmore lachte. »Ist zwar ein verflucht schönes Zimmer, aber nachdem Sie sich da drin übergeben haben, scheidet es fürs Erste sowieso aus.«
    »In der Villa gibt es mehrere Arbeitszimmer und eine große Bibliothek im Erdgeschoss. Ich bin sicher, einer dieser Räume ist besser geeignet.«
    Westmore lehnte sich zurück und zeigte mit dem Daumen auf die Tür des Salons. »Was haben Sie dort wirklich gesehen?«
    »Nichts, was Sie sehen könnten ...«
    »Übersinnliches Zeug also, wie?«
    »Es ist wesentlich komplizierter. Sie werden es nach und nach

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