Fliedernächte: Roman (German Edition)
Liebhaber.«
»O Gott.«
»Das ist dir jetzt wahrscheinlich peinlich, sollte es aber nicht sein. Wenn ihr beide euch in diesem Stadium eurer Beziehung auf sexuellem Gebiet nicht wirklich gut versteht, wäre das eine verdammte Schande. Und um das Thema abzuhaken: Du bist eine viel zu integere, selbstbewusste Frau, um Sex als Druckmittel oder als Sprungbrett für eine Karriere zu benutzen. Jeder, der dich kennt, weiß das. Also gib nichts auf Unterstellungen aus der falschen Ecke.«
»Warum lassen sie mich nicht einfach in Ruhe? Schließlich belästige ich sie meinerseits ja in keiner Weise.«
»Du bist der Stachel in ihrem Fleisch. Immer wenn sie ihren Mann anschaut, denkt sie an dich und an seinen Betrug. Und bei ihm ist es nicht viel anders. Ihn wurmt es, dass du einfach so gegangen bist. Das wird er nie verstehen, weil es sein Selbstwertgefühl verletzt. Und weil er sonst zugeben müsste, dass er schuld ist. Ich glaube nicht, dass einer von den beiden nochmals hier auftaucht oder dir irgendwie sonst zu nahe tritt. Falls doch, möchte ich das wissen. Versprochen?«
»In Ordnung.«
»Lass mich mal schauen.« Justine nahm den Eisbeutel von Hopes Gesicht und musterte kritisch die nach wie vor leicht geschwollene Gesichtshälfte. »Das müsste reichen«, stellte sie fest.
»Bestimmt. Ich glaube, der Schreck war größer als der Schmerz. Deshalb stand ich auch so fassungslos da und hab sie angestarrt. Wie eine Kuh beim Gewitter.«
»Ich an deiner Stelle hätte ihr einen gezielten Tritt in ihren Knochenarsch verpasst. Aber so bist du nicht, ich weiß, und das ist auch okay für eine echte Dame. So, genug geredet über Mrs. Wickham? Dann werde ich jetzt den Tee kochen.«
»Danke.«
»Das gehört zum Service.« Erneut ging Justine in die Küche, schaltete den Wasserkocher an, suchte in den Schränken nach Tee und entschied sich für Jasmin, weil das ihre eigene Lieblingssorte war. »Und ich muss mich zudem bei dir entschuldigen.«
»Du dich bei mir?« Hope wischte sich die letzten Tränen fort. »Warum denn das, um Himmels willen?«
»Für meinen Sohn. Er hätte zu dir kommen, dir seine Schulter anbieten, dir zuhören, dir einen Vortrag halten und dir Tee aufbrühen sollen.«
Sie lächelte. »Das hätte er gehasst.«
»Na und? Frauen müssen ebenfalls so einiges ertragen. Etwa dass Männer unbedingt im Stehen pinkeln müssen und danebenzielen, vor allem wenn sie ein Bier zu viel getrunken haben. Wir nehmen es hin. Er hingegen tritt den Rückzug an, sobald er Tränen sieht. Das hat er von klein auf gemacht, im Gegensatz zu den beiden anderen kann er damit nicht umgehen. Schneid dir den ganzen Finger ab, und Ryder wird dich perfekt notfallmäßig verarzten. Weinst du allerdings deswegen, sucht er auf der Stelle das Weite.«
»Das würde ich ihm nie zum Vorwurf machen.«
»Ich persönlich mag es lieber, wenn ein Mann meine Tränen wegwischt. Das ist wichtig, weil man sowieso nur in Ausnahmefällen heult. Ich werde dich nicht fragen, ob du meinen Ratschlag hören willst, sondern ihn dir einfach geben. Sorg dafür, dass er dir zuhört. Man muss über seine Gefühle sprechen, Hope. Sonst wird man leicht missverstanden. Häufiger, als man denkt.«
Sie goss heißes Wasser in den Becher mit dem Teebeutel. »Wie gesagt, er ist ein guter Kerl. Intelligent und fleißig und er sagt die Wahrheit, selbst wenn einem das nicht immer gefällt. Oder er hält den Mund. Seine liebenswerte Seite ist nicht weniger ausgeprägt als die ruppige, nur zeigt er die leider Gottes erheblich öfter, und das ist eines seiner Probleme.«
Sie brachte Hope den Tee und sah sie eindringlich an. »Und noch eines möchte ich dir anvertrauen: In seinem ganzen Leben war es ihm mit keiner Frau bislang wirklich ernst. Er hat seine Freundinnen geschätzt und respektiert, mehr nicht. Erst bei dir erlebe ich, dass er aus dem Gleichgewicht gerät. Du hast es vermutlich bereits selbst bemerkt.«
»Nein, zumindest bin ich mir nicht sicher. Glaubst du wirklich, dass es so ist?«
»Bestimmt. Jede Wette, dass er Blumen schickt, danach kurz in Deckung geht und hofft, dass der Sturm sich schnell legt.« Sie beugte sich nach vorne und küsste Hope leicht auf den Kopf. »Lass ihm das nicht durchgehen. Und jetzt trink deinen Tee und nimm dir etwas Zeit für dich.«
»Danke. Vielen Dank, Justine.«
»Gern geschehen. Ich werde mal sehen, was meine Jungs so treiben. Ruf mich, falls du mich brauchst.«
»Das werde ich tun.«
Wie am Anfang wurde die Tür wieder
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