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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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gewesen waren; dass all diese faszinierenden Dissonanzen nicht in leere Harmonien verwandelt würden, dass sie sich der Zeit niemals ergeben würde, die eben nicht alle Wunden heilte, wie es so schön hieß, sondern alle Ereignisse auslöschte; dass sie als eine der vier Personen auf der Welt, die wussten, wo Sinner ruhte, die zerklüftete Wahrheit seines Lebens nicht verraten würde, indem sie sich selbst in eine schöne tragische Romanze hineinschrieb.
    Aber vielleicht bestand gar keine Gefahr, dass dies geschah.
    »Will irgendwer noch was Schmalziges über ihn sagen, bevor er geht?« Kölmel blickte kurz in die Runde, schnaubte und spuckte aus. »Dachte ich mir. Der Junge war auch ’n ziemlicher Schmock.«

NEUNZEHNTES KAPITEL
    Die Back Church Lane war eine gewundene Straße mit hässlichen braunen Backsteinbüros und Lagerhäusern. »Ich weiß nur nicht, was das bringen soll«, sagte ich zu dem Waliser, als wir dort entlangfuhren und nach der Stelle suchten. Leuchtende Kondensstreifen durchzogen die Dunkelheit, und nach Westen hin versperrten Wolkenkratzer den größten Teil des weichen Streifens zwischen dem Blau am oberen und dem Gold am unteren Rand, der besten Waffe, über die der Himmel verfügt, um sich der Idee einer eindeutigen Schattierung zu entziehen. »Es ist über siebzig Jahre her«, fuhr ich fort, während wir ein unverhältnismäßig großes hölzernes Tor passierten. Links und rechts davon standen dekorative Marmorsäulen, und darüber war die Inschrift Browne & Eagle Ltd. eingraviert, was ich als den Namen einer alten Spinnerei indentifizierte. »Da wird gar keine Müllhalde mehr sein. Da ist jetzt irgendein Wohnblock oder ein Parkplatz oder so was. Wir können doch nicht einfach zerstören, was jetzt an der Stelle ist.«
    Aber als wir ankamen, fanden wir weder einen Wohnblock noch einen Parkplatz vor. Auch die alte Müllhalde entdeckten wir nicht. Stattdessen standen wir vor einer Baustelle. Und an dem hölzernen Zaun hing neben den üblichen Ermahnungen, dass man einen Helm tragen müsse und Kinder nicht in der Nähe spielen dürften, ein vertrautes Plakat:
    GRUBLOCK HOMES
    Es ist die Zukunft, die unserem Heute
die Regel gibt
    Der Slogan war ein nicht ausgewiesenes Nietzsche-Zitat aus der Vorrede zu Menschliches, Allzumenschliches . Grublocks Marketingabteilung war voll darauf abgefahren. Jetzt erinnerte ich mich daran, dass ich eine Computer-Nachbildung dieses Projekts auf Grublocks Schreibtisch gesehen hatte. Es sollte ein Block mit Luxuswohnungen werden: mit einer gekräuselten türkisfarbenen Fassade und einem Gemüsegarten auf dem Dach, gedacht für junge Banker, denen es nichts ausmachte, in einem heruntergekommenen Teil von Whitechapel zu leben, wenn sie dafür nur fünfzehn Minuten Fußweg zur Arbeit hatten.
    »Wie außerordentlich praktisch«, sagte der Waliser. Er zog mein Handy aus seiner Jackentasche.
    »Haben Sie das die ganze Zeit gehabt?«
    »Ja, ich habe es aus Ihrer Wohnung mitgenommen. Sie werden jemanden in Grublocks Firma anrufen, der in der Lage ist, das Alarmsystem auf dieser Baustelle zu deaktivieren. Ich gehe davon aus, dass Sie das können?«
    Ich nickte, und er übergab mir das Telefon.
    Ich wusste, das war meine letzte Chance. Ob wir nun Sinners Leiche fanden oder nicht, bald würde ich für den Waliser nicht mehr nützlich sein. Zu meiner enormen Erleichterung hatte er Tara am Leben gelassen, als wir uns höflich verabschiedeten und ihr Haus in Roachmorton verließen, aber ich hatte genug gesehen. Er würde mich auf jeden Fall umbringen. Ich hatte also nichts zu verlieren. Ich rief nicht den Chef des Sicherheitsdienstes bei Grublock an, sondern Stuart.
    »Kevin?«, sagte er.
    »Hallo, spreche ich mit Teymur?«
    »Hast du immer noch Ärger?«
    »Ja, hier spricht Kevin Broom. Ich befinde mich an der Baustelle der Grublock Homes in der Back Church Lane, und Sie müssten bitte – hallo?« Ich hatte unauffällig den Knopf zum Beenden des Gesprächs gedrückt. Ich sah mein Telefon mit gespielter Verwunderung an und wählte noch einmal, diesmal die richtige Nummer.
    »Teymur hier.«
    »Ja, hallo, hier ist noch mal Kevin Broom. Die Verbindung war wohl unterbrochen.«
    »Wie bitte?«
    »Wie ich schon sagte, bin ich an der Baustelle der Grublock Homes in der Back Church Lane, und ich muss da rein. Könnten Sie bitte den Alarm ausschalten? Tut mir leid, dass ich so spät noch anrufe.«
    »Worum geht’s denn?«
    »Ich muss was für Horace erledigen.«
    »Ach, Sie sind in

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