Fliegende Fetzen
seiner Leibwächter zu. »Holt mir kalten Stahl.«
Es gab eine leise, hastig geführte Diskussion, dann hob jemand mit großer Vorsicht ein Schwert, um es Cadram mit dem Heft voran darzubieten.
Der Prinz betrachtete die Waffe, hob sie zum Mund und leckte daran. Die Soldaten beobachteten ihn dabei und lachten.
»Nein«, sagte er schließlich. »Nein, ich kann nicht behaupten, daß dieser Geschmack Furcht in mir weckt. Ist es wirklich authentischer kalter Stahl?«
»Ich nehme an, Lord Rust meinte seine Worte im übertragenen Sinne, Gebieter.«
»Ah. Ja, ich glaube, damit kann man bei ihm rechnen. Nun, reiten wir zu ihm. Immerhin sollten wir uns zivilisiert verhalten.«
Cadram trieb sein Pferd an. Die Generäle folgten ihm.
Nach einer Weile wandte sich der Prinz erneut an General Ashal.
»Warum sollen wir ihm gegenübertreten, bevor die Schlacht beginnt?«
»Es ist eine Geste des… guten Willens, Gebieter. Krieger erweisen sich gegenseitig die Ehre.«
»Aber der Mann ist doch absolut unfähig!«
»Ja, Gebieter.«
»Und unsere kampferprobten Krieger sollen gegen seine unerfahrenen Soldaten kämpfen?«
»Ja, Gebieter.«
»Und was will mir der Irre mitteilen? Möchte er vielleicht darauf hinweisen, daß er mir nichts übelnimmt?«
»Ganz im allgemeinen gesprochen… Ja, Gebieter. Ich glaube, sein Motto lautet: ›Es kommt nicht auf Sieg oder Niederlage an. Hauptsache, wir sind dabeigewesen.‹«
Die Lippen des Prinzen bewegten sich, als er die Worte lautlos wiederholte und sie zu verstehen versuchte. Schließlich erwiderte er: »Und die Soldaten nehmen Befehle von ihm entgegen, obwohl sie dieses Motto kennen?«
»So scheint es, Gebieter.«
Prinz Cadram schüttelte den Kopf. Wir können von Ankh-Morpork lernen, hatte sein Vater gesagt. Manchmal können wir lernen, was wir besser nicht tun sollten.
Und so begann Cadram zu lernen.
Er erfuhr, daß Ankh-Morpork einst über einen recht großen Teil von Klatsch geherrscht hatte. Der Prinz erinnerte sich, daß er die Ruinen einer Kolonie gesehen hatte, und dort erfuhr er auch den Namen des Mannes, der damals als Eroberer so erfolgreich gewesen war. Anschließend schickte er Agenten nach Ankh-Morpork, um so viel wie möglich über den Betreffenden herauszufinden.
General Taktikus lautete sein Name. Prinz Cadram hatte viel gelesen und erinnerte sich an alles. Die »Taktik« wurde zu einem wichtigen Werkzeug bei der Erweiterung des Reiches. Natürlich gab es auch Nachteile. Irgendwo verlief eine Grenze, und über diese Grenze kamen… Räuber. Also schickte man eine Streitmacht aus, um weitere Überfälle zu verhindern. Und um den Räubern das Handwerk zu legen, mußte man ihr Land besetzen, was dazu führte, daß man sich schon bald um die Verwaltung eines weiteren unruhigen Vasallenstaates kümmern mußte. Der hatte ebenfalls eine Grenze, und jenseits davon, so sicher wie der nächste Sonnenaufgang, gab es andere Leute, die auf eine günstige Gelegenheit für Überfälle warteten. Die neuen
Steuerzahler
verlangten Schutz vor den anderen Räubern. Manchmal »vergaßen« sie vielleicht, einen Teil der Steuern abzuführen, und gelegentlich gingen sie selbst auf den einen oder anderen Raubzug, um ihr Einkommen ein wenig aufzubessern. Also blieb einem nichts anderes übrig, als erneut eine Streitmacht zusammenzustellen, ob man wollte oder nicht…
Cadram seufzte. Für den ernsthaften Erbauer eines Reiches gab es keine letzte Grenze. Für ihn ergaben sich immer neue Probleme. Wenn die Leute das doch endlich verstehen würden…
Es existierte auch kein
Spiel
namens Krieg. General Taktikus hatte das gewußt. Bringe die Größe der gegnerischen Truppen in Erfahrung, und respektiere auch die Fähigkeiten des Feindes, sofern er welche hat. Aber gehe nie davon aus, daß du dich anschließend bei einem gemütlichen Gläschen treffen kannst, um die Einzelheiten der Schlacht noch einmal Revue passieren zu lassen.
»Vielleicht ist er verrückt, Gebieter«, sagte General Ashal.
»Oh, gut.«
»Allerdings habe ich gehört, daß er unlängst die Klatschianer als die besten Soldaten auf der ganzen Welt bezeichnet hat, Gebieter.«
»Ach?«
»Er fügte hinzu: ›Wenn sie ihre Anweisungen von weißen Offizieren bekommen‹, Gebieter.«
»Oh?«
»Wir bieten ihm ein Frühstück an, Gebieter. Es wäre sehr unhöflich von ihm, ein solches Angebot abzulehnen.«
»Eine
gute
Idee. Haben wir genug Schafsaugen?«
»Ich habe mir erlaubt, die Köche anzuweisen, einen ausreichenden
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