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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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Nachthimmel aus wie ein samtenes Tuch. Durch das geöffnete Seitenfenster drangen die typischen Gerüche einer ländlichen Gegend, wo Tiere auf Weiden grasten und weite Felder sich erstreckten. Viel mehr schien es hier nicht zu geben.
    Aber wenig später entdeckte sie genau das, wonach sie gesucht hatte: ein kleines schlichtes Motel. Auf einer erleuchteten Tafel stand “Cozy Comfort Bungalows”, darunter, auf einem angehängten Blechschild “Zimmer frei”. Ob ein solches Motel überhaupt jemals ausgebucht war, fragte sich Emma. Aber vor allem war sie dankbar und froh, endlich eine passende Unterkunft gefunden zu haben, um sich von der endlos langen Fahrt auszuruhen.
    Sie lenkte den Wagen auf einen mit Kies bedeckten Parkplatz, der sich vor einer Reihe nebeneinanderliegender kleiner Gebäude erstreckte, die zwar nicht wie echte Bungalows aussahen, aber zweifellos Gästezimmer beherbergten. Direkt vor dem Gebäude mit der Aufschrift “Verwaltung” machte sie den Motor aus.
    Sollte sie Max mit hineinnehmen? Sie dachte eine Weile darüber nach und entschied dann, ihn im Auto weiterschlafen zu lassen. Danach stieg sie aus, schloss den Wagen ab und nahm sich vor, ihren Sohn nicht aus den Augen zu lassen.
    Das Verwaltungsgebäude sah verschlossen aus, aber eine kleine Laterne beleuchtete den Eingangsbereich. Über einem Klingelknopf hing ein Messingschild, auf dem stand: “Wenn Büro geschlossen, bitte hier klingeln.”
    In den nächsten fünf Minuten drückte Emma immer wieder auf den Klingelknopf und hörte auch, wie es drinnen im Haus läutete. Aber niemand zeigte sich.
    Ein Glück, dass sie sich entschlossen hatte, ihren achtzehn Kilo schweren Sohn im Wagen zu lassen.
    “Ist jemand zu Hause?”, rief sie laut und zog die Tür mit dem Fliegengitter auf, um gegen die dahinter gelegene Holztür zu klopfen.
    Ein kleiner brauner Kombi hielt auf dem Parkplatz. Im ersten Moment erleichterte es Emma, dass sie nun nicht mehr die Einzige war, die versuchte, den Besitzer des Motels aus dem Bett zu klingeln. Aber als der Motor des Wagens ausging und der Fahrer ausstieg, fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee war, hier ganz allein mitten im Nirgendwo herumzustehen. Wer auch immer dieser Mann war, der jetzt auf sie zukam, besonders vertrauenerweckend wirkte er nicht gerade. Er sah eigentlich auch nicht aus wie jemand, der so einen Kombi fuhr. Und auch wie ein typischer Einwohner von Nevada sah er nicht aus – er trug nicht die in dieser Gegend typischen Westernklamotten, sondern eine verblichene löchrige Jeans und ein links herum angezogenes Sweatshirt. Bartstoppeln übersäten die kantigen Wangen, das blonde Haar war schulterlang, und einige Strähnen fielen ihm ins Gesicht.
    “Meldet sich niemand?”, fragte er und schob sich die widerspenstigen Haare aus dem Gesicht.
    Auf der Suche nach einer Waffe für den Notfall schob Emma die Hand in ihre umgehängte Tasche. Von Carlos hatte sie ein Spray zur Selbstverteidigung bekommen.
    “Bis jetzt noch nicht”, sagte sie.
    Er öffnete die Schiebetür des Lieferwagens, holte eine Umhängetasche heraus, in die ein Laptop passte, und hängte sie sich über die Schulter. Dann holte er noch einen Seesack hervor, schloss die Tür und kam auf sie zu. Da er ganz ruhig und mit koordinierten Bewegungen ging, entspannte Emma sich ein wenig. Zumindest war er nicht betrunken. Und jetzt, als sie ihn genauer betrachtete, bemerkte sie auch, dass er kein bisschen gefährlich aussah. Dafür war er viel zu hübsch. Die Nase war gerade, das Gesicht gut geschnitten, und seine Lippen erschienen ihr für einen Mann beinahe zu sinnlich.
    “Vielleicht müssen wir uns doch nach einer anderen Unterkunft umsehen”, sagte Emma.
    Er schüttelte den Kopf. “Sie ist da.”
    So wie sein Haar sich bewegte, musste es frisch gewaschen sein, dachte Emma. Trotz des nachlässigen Aussehens, der löchrigen Klamotten und der abenteuerlichen Frisur schien er Wert auf Körperpflege zu legen. Jedenfalls waren die Fingernägel akkurat geschnitten, was sie dank der hellen Lampe auf der Veranda gut erkennen konnte. Auch die Zähne strahlten weiß und ebenmäßig. Sein Körper glich dem von Manuel – schlank und gut gebaut, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Eigentlich prädestiniert für elegant geschnittene Anzüge.
    Warum trug er nur so kaputte Jeans? War er einer von diesen Computerfachleuten ohne Job? War ihm das Geld ausgegangen? Und wieso wollte er mitten in der Nacht ausgerechnet in diesem

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