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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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längst die wahre Ursache dieser Abneigung. Mama Rodriguez konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass eine andere Frau im Leben ihres Sohnes eine wichtige Rolle spielte.
    Am Anfang der Beziehung hatte Vanessa sich darüber beklagt, aber das war längst vorbei. Inzwischen wusste sie genug über Manuels Familie und war froh, dass seine Verwandten sich immer noch weigerten, sie aufzunehmen.
    Dominick kam aus dem Wohnzimmer. Er sah unzufrieden aus. Vor zwei Monaten war er fünf geworden und in ein paar Wochen hätte er in den Kindergarten gehen sollen. Nun hoffte sie, bald in soliden Verhältnissen zu leben, denn sie wollte ihn gern noch in diesem Jahr zur Vorschule schicken. “Mommy, du hast doch gesagt, dass wir jetzt bald gehen”, sagte er.
    Vanessa versuchte ermutigend zu lächeln, obwohl sie fürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Wo blieb Juanita nur so lange? Sie war mit dem Auto unterwegs, das Carlos gekauft hatte. Wenn sie nicht bald käme, hieß das, dass Manuel wusste, was hier vorging. Womöglich plante er bereits, Dominick nach Mexiko mitzunehmen und sie würde ihren Sohn nie mehr wiedersehen.
    Sehr deutlich klangen ihr Manuels Drohungen im Ohr, die er immer dann ausstieß, wenn sie versuchte, sich etwas mehr Freiheit zu nehmen. Schon beim ersten Versuch, ihn zu verlassen, hatte er sie in ihre Schranken verwiesen.
    Als sie ihn kennengelernt hatte, hatte sie sich sehr einsam gefühlt. Kurz zuvor war ihr Vater gestorben, und wenig später kam ihr Bruder bei einem Motorradunfall ums Leben. Als einzige Angehörige blieben Vanessas Mutter und Schwester übrig. Beide lebten in Phoenix. Sie hatte sie dort besucht und sehnte sich danach, es wieder tun zu können.
    Bei ihrem jetzigen Fluchtversuch würde sie nicht noch einmal den gleichen Fehler begehen. Damals hatte Manuel sie aufgespürt und wieder mit nach Hause genommen. Und ihr unmissverständlich klargemacht, was passieren würde, wenn sie es noch einmal versuchen sollte.
    Denke nicht mehr daran. Vergiss es …
    “Wir warten noch auf Juanita”, sagte sie und hätte ihren Sohn am liebsten in die Arme genommen. Sie wüsste nicht, was sie ohne Dominick täte. Sein Lachen und seine Liebesbeteuerungen wirkten wie ein Lebenselixier auf Vanessa. Aber sie wusste auch, dass eine besitzergreifende verzweifelte Umarmung im Moment genau das Falsche war. Auf keinen Fall durften ihre eigenen Ängste auf Dominick überspringen, er war schon verunsichert genug.
    “Du hast schon vorhin gesagt, dass sie bald kommt”, beklagte er sich. “Wo ist sie denn?”
    Vanessa hatte keine Ahnung. Juanita arbeitete seit fast einem Jahr für sie und war noch nie zu spät gekommen. Wo konnte sie sein? Ohne ihre Unterstützung – und das Auto – würden Vanessa und Dominick es niemals schaffen wegzukommen.
    “Vielleicht hat sie einen Platten.”
Bitte, bitte, lass es das sein.
“Sie kommt bestimmt gleich.”
    Das Telefon klingelte. Vanessa drückte Dominick ein paar Stifte in die Hand und trat zu dem Tischchen in der Ecke.
    Als sie Manuels Handynummer erkannte, schreckte sie vor Angst zurück. Eigentlich sollte er in einem Flugzeug nach Mexiko sitzen. Er reiste sehr oft ins Ausland und blieb dort für mehrere Tage, manchmal sogar einige Wochen. Obwohl Manuel behauptete, dass er Marmor aus Culiacán importierte, hatte Vanessa schon länger den Verdacht, dass es um etwas ganz anderes ging.
    Sollte sie rangehen?
    Sie war nicht sicher, ob sie mit ruhiger Stimme sprechen konnte. Vielleicht hatte sich sein Abflug ja nur verzögert. Sie wartete, bis der Anrufbeantworter anging. Aber sie hätte sich denken können, dass es nicht so einfach war, ihn loszuwerden. Wenige Sekunden später fing ihr Handy, das auf dem Tresen lag, an zu klingeln. Manuel hasste es, wenn er sie nicht erreichte. Und er würde es weiterversuchen, immer wieder, sogar auf die Gefahr hin, seinen Flug zu verpassen. Er würde erst dann Ruhe geben, wenn sie den Anruf endlich entgegennahm.
    Sie wollte auf keinen Fall, dass er seinen Flug verpasste.
    Als sie immer noch zögerte, schaute Dominick von seiner Zeichnung auf und sagte: “Mommy?”
    Vanessa bemühte sich, möglichst gleichgültig auszusehen, um die Angst zu überspielen, die Manuels Anruf bei ihr ausgelöst hatte. Dann griff sie nach ihrem Handy. “Hallo?”
    “Was ist denn da los?”, fragte Manuel grußlos.
    “Nichts. Wieso?”
    “Ich hab versucht, dich zu Hause anzurufen.”
    “Ich habe dir doch gestern Abend schon gesagt, dass ich heute Morgen

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