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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sieht es denn hier aus!« rief Bonnie impulsiv und bedauerte sofort, daß sie es gesagt hatte.
    »Sie hatte wahrscheinlich noch keine Zeit aufzuräumen«, antwortete Lauren, ihre Mutter verteidigend.
    »Geben Sie acht, wenn Sie hereinkommen«, bemerkte Mahoney. »Rühren Sie möglichst nichts an.«
    Einer nach dem anderen traten sie in Joans Schlafzimmer im oberen Stockwerk: Bonnie, ihr Mann, seine Kinder, Captain Mahoney und Detective Kritzic. Sie bewegten sich, als gingen sie auf Glas, vorsichtig, bei jedem Schritt die Knie übertrieben in die Höhe ziehend, sorgsam darauf achtend, wohin sie ihre Füße setzten. Keiner sprach, ihr Schweigen war jedoch mehr von Bestürzung als von Respekt vor der Toten diktiert. Die Gesichter von Joans Kindern jedoch spiegelten weder das eine noch das andere wider.
    »Sie hat einfach noch keine Zeit gehabt, hier aufzuräumen«, wiederholte Lauren und suchte ein freies Fleckchen Teppich neben einer offenen Schranktür.
    »Hier sieht’s doch immer so aus«, erklärte Sam, an eine blaßrosa Wand gelehnt.
    »Sie hat schließlich keinen Besuch erwartet«, sagte Lauren.
    Besuch? dachte Bonnie, während sie sich in der Mitte des Zimmers in kleinen Kreisen drehte und versuchte, ihren Ekel zu überwinden und sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. Das Zimmer war ein Katastrophengebiet, ein Schlachtfeld, eine Müllhalde, menschenunwürdig.
    Bonnies Blick fegte durch das Zimmer wie ein Besen, als wollte sie irgendwie auf visuellem Weg all die Abfälle, das ganze Chaos in die Mitte des Raums befördern, die alten Zeitungen, die überall verstreut lagen, die Bücher und Zeitschriften, die teilweise aufgeschlagen, teilweise zerknittert auf dem rosaroten Teppich lagen, die Stapel hingeworfener Kleidungsstücke, die aus dem Schrank gezogen und einfach liegengelassen worden waren, die Teller mit dem verkrusteten Essen und die zur Hälfte geleerten Kaffeetassen, die zahlreichen, überquellenden Aschenbecher, die auf jedem freien Fleckchen standen. Das Bett selbst sah aus, als sei es seit Wochen, vielleicht seit Monaten nicht mehr gemacht worden. Leere Flaschen lagen auf dem Kopfkissen, ein weißes Telefon, dessen Schnur hoffnungslos verdreht und verschlungen über einem aufgeschlagenen Adreßbuch lag, stand in der Mitte des Betts neben einem mit Senf und Ketchup verschmierten Pappbehälter, der einen angebissenen Hamburger enthielt. Mehrere leere Flaschen ragten unter dem Bett hervor. Weinflaschen, erkannte Bonnie und bemühte sich, sie nicht anzustarren. Wie hatte die Frau so leben können?
    »Und unten ist es so sauber«, murmelte sie in dem Bemühen, die beiden Gegensätze miteinander zu vereinen.
    »Unten war auch nie jemand«, sagte Sam.
    »Und wenn ihr gegessen habt?« Bonnie riß ihren Blick mit Gewalt von dem abgebissenen Hamburger los. »Wer hat gekocht? Wo habt ihr gegessen?«
    »Auswärts«, antwortete Sam. »Oder wir haben uns was kommen lassen und in unseren Zimmern gegessen.« Er sagte es, als wäre es das Normalste von der Welt.
    »Im Immobiliengeschäft gibt’s keine geregelte Arbeitszeit«, bemerkte Lauren. »Da ist es schwer, alles unter einen Hut zu bringen. Meine Mutter hat ihr Bestes getan.«
    »Aber natürlich«, stimmte Bonnie zu.
    »Ein bißchen Unordnung bedeutet schließlich nicht das Ende der Welt.«
    »Nein, sicher nicht.«
    »Wer hat dich überhaupt um deine Meinung gefragt?« sagte Lauren.
    Bonnie war sich bewußt, daß Captain Mahoney, der am Bett stand und sich geduldig bemühte, das Adreßbuch aus dem verschlungenen Telefonkabel zu befreien, den Wortwechsel aufmerksam verfolgte. Sie fühlte sich flau, die Gerüche nach halbverfaultem Essen und schalem Zigarettenrauch nebelten sie ein und beschworen Erinnerungen an andere Gerüche herauf, die noch unangenehmer gewesen waren. An den Geruch nach Blut und zerfetztem Fleisch und menschlichen Exkrementen. An den Geruch nach gewaltsamem Tod.
    Sie spürte, wie Rod schützend den Arm um sie legte, als wüßte er genau, was ihr durch den Kopf ging, und lehnte sich an ihn.
    Mahoney nahm das aufgeschlagene Adreßbuch vom Bett. »Kennt jemand Sally Gardiner, Lyle und Caroline Gossett, Linda Giradelli?« las er aus dem Buch vor, das offensichtlich bei dem Buchstaben G aufgeschlagen war.
    »Mit den Gossetts waren wir früher befreundet«, bemerkte Rod. »Sie wohnen gegenüber.«
    »Meine Mutter hatte einen Haufen Bekannte«, sagte Lauren.
    »Zechkumpane«, flüsterte Rod unterdrückt.
    »Wie steht es mit einem Dr. Walter

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