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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Helle Panik lag in Laurens Stimme.
    »Ihr könnt mit eurem Vater gehen, oder ich muß euch zum Jugendamt bringen«, mischte sich Mahoney ein. »Ich denke, daß ihr es vorzieht, mit eurem Vater zu gehen.«
    Bonnie nickte dankbar. Die Tatsache, daß er Sam und Lauren ermutigte, mit ihnen zu fahren, konnte doch nur bedeuten, daß er keinen von ihnen ernsthaft als Täter in Verdacht hatte.
    Sam und Lauren nahmen sich ein paar Sekunden Zeit, um die Alternativen gegeneinander abzuwägen, dann verließen sie schweigend das Zimmer. Bonnie und Rod folgten ihnen wie betäubt.
    Sams Zimmer war direkt gegenüber. Das Bett war ungemacht, auf seiner Kommode lagen Bücher und Papiere und haufenweise Kleingeld. An der Wand hing neben dem Foto einer barbusigen Cindy Crawford ein Poster von Guns’n Roses-Star Axl Rose in der Unterwäsche. Eine Elektrogitarre mit zerkratztem Korpus und einer abgerissenen Saite lag auf dem braunen Teppich neben einem hingeworfenen Flanellhemd, aus dessen Brusttasche eine aufgerissene Packung mit Camel-Zigaretten schaute. Auf dem weißen Fensterbrett stand ein großer rechteckiger Glasbehälter, in dem eine große Schlange ausgestreckt lag.
    »Du lieber Gott«, flüsterte Bonnie. »Was ist denn das?«
    »Das ist L’il Abner«, antwortete Sam stolz. Zum erstenmal, seit er nach Hause gekommen war, zeigte sein Gesicht eine Regung von Gefühl. »Er ist erst achtzehn Monate alt, aber er ist schon über einen Meter zwanzig lang. So eine Boa constrictor kann zwischen zweisiebzig und dreifünfzig lang werden. In der Wildnis noch länger.«
    Mahoney ging an Bonnie vorbei zu dem Terrarium. »Das ist ja wirklich ein Prachtexemplar«, sagte er. »Was geben Sie ihm zu fressen?«
    »Lebendige Ratten«, antwortete Sam.
    Bonnie drückte beide Hände auf ihren Magen und kämpfte gegen den aufsteigenden Brechreiz. Das konnte doch nicht wahr sein, daß sie hier im Zimmer eines Jungen standen, der gerade von der Ermordung seiner Mutter erfahren hatte, und jetzt erzählte, daß er seiner Boa constrictor lebende Ratten zu fressen gab.
    »Und Ihre Mutter hatte nichts dagegen, daß Sie so ein exotisches Tier hier im Haus hielten?« fragte Mahoney.
    »Sie ist nur ausgeflippt, wenn die Ratten abgehauen sind«, sagte Sam.
    Bonnie sah von ihrem Mann zu seinem Sohn und suchte nach einer Ähnlichkeit zwischen den beiden. Sie war vorhanden, gewiß, wenn auch nur schwach. Sie manifestierte sich mehr in Körperhaltung und Gestik, in der Art zum Beispiel, wie beide den Kopf zur Seite neigten, wenn sie eine Frage stellten, wie sie ein klein wenig die Lippen vorschoben, wenn sie lächelten, wie sie sich zerstreut einen Nasenflügel zu reiben pflegten, wenn sie überlegten.
    Vielleicht hatte es eine Verwechslung gegeben, dachte Bonnie. Vielleicht war den Leuten im Krankenhaus damals einer jener schrecklichen Fehler unterlaufen, von denen man manchmal hört, und Sam war mit einem anderen Säugling vertauscht worden, war in Wirklichkeit gar nicht Rods Sohn. Rods Sohn war ein normaler junger Mann mit ganz normalem braunem Haar, der keinen goldenen Ring in der Nase trug, ein Junge, der weinte, wenn er vom Tod seiner Mutter erfuhr, und der Hunde und Goldfische mochte.
    »Ich bin soweit«, sagte Lauren, die mit einem großen Matchsack über der Schulter und einer kleinen Reisetasche in der Hand an der Tür stand.
    »Und was wird aus dem Haus?« fragte Sam.
    »Darüber können wir uns später den Kopf zerbrechen«, antwortete Rod.
    »Aber ich will nicht, daß es verkauft wird«, sagte Lauren.
    »Darüber können wir uns später den Kopf zerbrechen«, wiederholte Rod.
    »Wie komm’ ich denn jetzt zur Schule?« Wieder war die Panik in Laurens Stimme hörbar.
    »Über die Schule mach dir jetzt erst mal keine Gedanken«, sagte Bonnie.
    »Ich fahr’ dich hin, wenn wir Mamas Wagen bekommen«, erklärte Sam und drehte sich nach Captain Mahoney um. »Wann kann ich den Wagen meiner Mutter bekommen?«
    Wenn die Frage Mahoney überraschte, so ließ er es sich nicht anmerken. »Spätestens in einer Woche voraussichtlich.«
    Detective Kritzic kam mit einem dünnen Hefter herein und reichte ihn aufgeschlagen dem Captain. Mahoney blätterte ihn in aller Ruhe durch, wobei er immer wieder flüchtig zu Bonnie und Rod hinüberblickte.
    »Vielleicht gehen wir am besten in den Flur hinaus«, schlug er beiläufig vor, als er mit der Lektüre fertig war. Allzu beiläufig, fand Bonnie, als sie den beiden Beamten nach draußen folgten.
    »Haben Sie etwas gefunden?«

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