Flieh Wenn Du Kannst
schenken.
Bonnie nickte. »Wir müssen mit dir sprechen, Sam«, sagte sie.
Sam zuckte mit den Achseln. Dann rede, sagte die Geste.
»Es wäre vielleicht besser, wenn wir uns allein unterhalten könnten.« Rod warf einen Blick auf Haze.
»Vielleicht aber auch nicht«, entgegnete Sam.
Haze lachte leise.
»Das ist Harold Gleason«, stellte Bonnie den Jungen ihrem Mann vor. »Er ist in einer meiner Klassen.« Er stört den Unterricht, er macht niemals seine Aufgaben, er wird dieses Jahr durchfallen, hätte sie hinzufügen können, tat es aber nicht. »Alle nennen ihn Haze.«
»Schaut aus, als hätt’ Ihnen jemand eins auf die Lippe gegeben, Mrs. Wheeler«, stellte Haze fest und trat, ohne sich um Rod zu kümmern, einen Schritt näher an Bonnie heran. Der Geruch des Marihuanas wehte ihr aus seinem Haar und seinen Kleidern entgegen. »Hm, ja«, stellte er fest. »Schaut ganz so aus, als hätt’ Ihnen jemand eine verpaßt, Mrs. Wheeler.«
»Sam, die Sache ist wichtig«, sagte Rod ungeduldig.
»Bitte, ich höre.«
»Deiner Mutter ist etwas zugestoßen«, begann Rod. Dann brach er ab und blickte zur Treppe.
Sams Blick folgte dem seines Vaters. »Was ist denn passiert? War sie betrunken und ist aus dem Bett gefallen? Hat sie dich angerufen, daß du rüberkommen sollst? Seid ihr deshalb hier?«
»Deine Mutter ist tot, Sam«, sagte Rod leise.
Es wurde ganz still. Bonnie beobachtete Sams Gesicht, suchte nach einem Zeichen dafür, was er vielleicht empfand, aber seine Züge blieben völlig ausdruckslos, verrieten nichts von dem, was hinter diesen leeren schwarzen Augen vorging.
»Mann, wie ist das denn passiert?« fragte Haze.
»Sie ist erschossen worden«, antwortete Bonnie, den Blick immer noch forschend auf Sams Gesicht gerichtet. Doch es zeigte keine Reaktion. Keine Träne blitzte in seinen Augen, kein Muskel zuckte. »Ich habe sie gefunden«, fuhr sie fort und trat automatisch einen Schritt zurück, wobei sie schützend den Handrükken auf ihren Mund legte.
Noch immer keine Reaktion.
»Sie hat mich heute morgen angerufen. Sie sagte, sie hätte mir etwas mitzuteilen und bat mich, sie in der Lombard Street zu treffen, wo sie eine Hausbesichtigung hatte. Als ich dort ankam, war sie tot.«
Sam kniff ein klein wenig die Augen zusammen.
»Hast du vielleicht eine Ahnung, warum sie mich sprechen wollte, Sam?« fragte Bonnie.
Sam schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, sie wollte mich vor etwas warnen«, erläuterte Bonnie. »Wenn wir wüßten, worum es ging...«
»Aber wer hat sie denn erschossen, Mann?« fragte Haze und rieb sich mit einem Finger nervös die Nase. Der Muskel seines Arms unter dem schwarzen T-Shirt schwoll an, und das tätowierte rote Herz darauf weitete sich.
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Bonnie, froh, daß jemand die passenden Fragen stellte.
»Was ist mit ihrem Auto?« fragte Sam.
»Wie bitte?« Bonnie traute ihren Ohren nicht. Hatte Sam wirklich nach dem Auto seiner Mutter gefragt?
»Wo ist ihr Wagen?« wiederholte Sam.
»Ich nehme an, der steht noch in der Lombard Street«, antwortete Bonnie.
»Das ist ein teurer Wagen«, erklärte Sam. »Die Polizei kann den doch nicht beschlagnahmen, oder?«
Bonnie wußte nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Über Joans Wagen hatte sie überhaupt nicht nachgedacht. »Ich weiß nicht, wie das gehandhabt wird«, sagte sie und warf einen Blick auf Rod, der so verwirrt zu sein schien wie sie.
Sam trat von einem Fuß auf den anderen. Sein schweifender Blick schien nirgends Halt zu finden. »Ist Lauren zu Hause?«
»Sie ist oben.«
»Ihr habt es ihr schon gesagt?«
Bonnie nickte.
»Und wie geht’s jetzt weiter?« fragte er.
»Das weiß ich auch nicht«, bekannte Bonnie. »Die Polizei wird sicher bald kommen...«
»Dann gehe ich jetzt besser«, verkündete Haze augenblicklich und wandte sich zur Tür, als säße ihm die Polizei bereits im Nakken. »Tut mir wirklich leid, das mit deiner Mutter, Sammy. Wir sehen uns später, Mann.« Die Haustür öffnete und schloß sich, ein Hauch kühler Aprilluft mischte sich mit dem abgestandenen Geruch des Marihuanas.
»Ich hab’ der Polizei nichts zu sagen«, erklärte Sam.
»Ich denke, das wird die Polizei entscheiden«, entgegnete Rod.
»Was tut ihr überhaupt hier?« Sam blickte von seinem Vater zu Bonnie, dann wieder zu seinem Vater. »Ich mein’, du warst hier, du hast uns die schlechte Nachricht überbracht – Ding Dong, die Hexe ist tot -, du mußt jetzt nicht mehr länger hier
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