Fliehe weit und schnell
Ich schon.«
»Ja, Hauptmann.«
»Augenblick, Estalère. Was will der Typ?«
»Es ist so ein Hasenfuß. Er hat Angst, daß der Mörder ihn umbringt.«
»Wir hatten doch schon vor längerem beschlossen, sämtliche Paniker zu ignorieren. Es sind jetzt hunderttausend in der Stadt. Schmeißen Sie ihn raus, und lassen Sie den Kommissar schlafen.«
»Er behauptet, er wäre ein Sonderfall«, präzisierte Estalère.
»Diese Paniker halten sich alle für Sonderfälle. Sonst würden sie nicht durchdrehen.«
»Nein, er behauptet, er wäre gerade von Flöhen gebissen worden.«
»Wann?« fragte Danglard und richtete sich in seinem Bett auf.
»Heute nacht.«
»Okay, Estalère, wecken Sie den Kommissar. Ich komme auch.«
Adamsberg ließ kaltes Wasser über Gesicht und Oberkörper laufen, bestellte bei Estalère einen Kaffee - die neue Maschine war am Vorabend angeschlossen worden - und stieß das Feldbett mit dem Fuß in die Ecke seines Büros.
»Bringen Sie mir den Mann, Brigadier«, sagte er.
»Estalère«, präzisierte der junge Mann.
Adamsberg nickte und griff wieder nach seinem Notizbuch. Jetzt, wo der Pestbereiter in der Zelle saß, würde er sich vielleicht um diese Horde von Unbekannten kümmern können, die seine Brigade bevölkerten. Er schrieb: rundes Gesicht, grüne Augen, ängstlich gleich Estalère. Unmittelbar dahinter notierte er: Entomologe, Flöhe, Adamsapfel gleich Martin.
»Wie heißt er?« fragte er.
»Kevin Roubaud«, antwortete der Brigadier.
»Wie alt?«
»Etwa dreißig«, schätzte Estalère.
»Er hat gesagt, er sei heute nacht gebissen worden?«
»Ja, und er ist in Panik geraten.«
»Nicht schlecht.«
Estalère führte Kevin Roubaud zum Büro des Kommissars, während er in der linken Hand eine Tasse Kaffee ohne Zucker balancierte. Der Kommissar nahm keinen Zucker. Im Gegensatz zu Adamsberg hatte Estalère Sinn für die kleinen Details des Lebens, er erinnerte sich gern daran und zeigte auch gern, daß er sich erinnerte.
»Ich habe Ihnen keinen Zucker hineingetan, Kommissar«, sagte er, als er die Tasse auf den Tisch stellte und Kevin Roubaud auf dem Stuhl Platz nehmen ließ.
»Danke, Estalère.«
Roubaud fühlte sich sichtlich unwohl. Aufgeregt fuhr er sich mit den Fingern durch sein dichtes Brusthaar. Er roch nach Schweiß, und sein Schweiß roch nach Wein.
»Noch nie zuvor Flöhe gehabt?« fragte ihn Adamsberg.
»Nie.«
»Sind Sie sicher, daß die Bisse von heute nacht sind?«
»Es ist noch keine zwei Stunden her, dadurch nämlich bin ich wach geworden. Daraufhin bin ich schnell los, um Ihnen Bescheid zu sagen.«
»Befinden sich in Ihrem Haus Vieren auf den Wohnungstüren, Monsieur Roubaud?«
»Zwei. Die Concierge hat eine mit dem Filzstift auf ihre Scheibe gemalt, und dann gibt's noch eine bei dem Typen im fünften Stock links.«
»Dann ist es nicht unser Mann. Und es sind nicht seine Flöhe. Sie können beruhigt nach Hause gehen.«
»Machen Sie Witze?« fragte der Mann lauter. »Ich fordere Schutz.«
»Der Pestbereiter bemalt alle Türen außer einer, bevor er seine Flöhe aussetzt«, erklärte Adamsberg mit Nachdruck. »Es sind andere Flöhe. Hatten Sie in den letzten Tagen vielleicht Besuch? Jemand mit einem Tier?«
»Ja«, antwortete Roubaud mürrisch. »Vor zwei Tagen ist ein Freund mit seinem Köter vorbeigekommen.«
»Na bitte. Gehen Sie nach Hause, Monsieur Roubaud, und schlafen Sie. Wir sollten uns alle noch ein Stündchen aufs Ohr legen, das wird uns guttun.«
»Nein. Ich will nicht.«
»Wenn Sie so beunruhigt sind«, sagte Adamsberg und stand auf, »dann rufen Sie die Kammerjäger, und basta.«
»Das würde nichts nutzen. Der Mörder hat mich ausgesucht, er wird mich umbringen, Flöhe hin, Flöhe her. Ich fordere Schutz.«
Adamsberg kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück, dann lehnte er sich wieder an seine Wand und musterte Kevin Roubaud aufmerksamer. Um die Dreißig, brutal, besorgt; seine großen, dunklen, etwas vorstehenden Augen hatten etwas Fliehendes.
»Na gut«, sagte Adamsberg. »Er hat Sie ausgesucht. Es gibt nicht eine einzige Vier in Ihrem Haus, die dieser Bezeichnung würdig wäre, aber Sie wissen, daß er Sie ausgesucht hat.«
»Die Flöhe«, knurrte Roubaud. »So steht es in der Zeitung. Alle Opfer hatten Flöhe.«
»Und der Hund Ihres Freundes?«
»Nein, das ist es nicht.«
»Warum sind Sie sich da so sicher?«
Der Ton des Kommissars veränderte sich, Roubaud spürte es und duckte sich auf seinem Stuhl.
»Wegen der
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