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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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genähert. Der Typ hat gebrüllt; bei der Vorstellung, daß sein Dings in Flammen aufgeht, ist er vor Angst fast gestorben.«
    »Schikaniert«, murmelte Adamsberg. »Und dann?«
    »Dann haben sie ihn auf die Gymnastikbank gelegt und haben ihn genagelt.«
    »Genagelt?«
    »Na ja. Das nennt man ›einen Kerl dekorieren‹. Sie haben ihm Reißzwecken in den Körper gesteckt, und dann haben sie ihm einen Knüppel in den... in den Arsch getrieben.«
    »Klasse«, knurrte Adamsberg zwischen den Zähnen. »Und das Mädchen? Erzähl mir nicht, ihr hättet das Mädchen nicht angerührt.«
    »Ich nicht«, rief Roubaud. »Ich hab nur den Rückweg gesichert. Ich hab mich nur amüsiert.«
    »Amüsierst du dich heute immer noch?«
    Roubaud senkte den Kopf, die Hände weiter an den Stuhl geklammert.
    »Und das Mädchen?« wiederholte Adamsberg.
    »Wurde nacheinander von den fünf Typen vergewaltigt. Sie hat geblutet. Am Ende hat sie sich nicht mehr gerührt. Erst hab ich sogar gedacht, wir hätten einen bösen Fehler gemacht und sie wäre tot. In Wirklichkeit ist sie verrückt geworden, sie hat niemanden mehr erkannt.«
    »Fünf? Ich dachte, ihr wärt zu siebt gewesen?«
    »Ich hab sie nicht angerührt.«
    »Aber der sechste Mann? Hat der nichts gemacht?«
    »Das war ein Mädchen. Die da«, sagte Roubaud und zeigte mit dem Finger auf das Foto von Marianne Bardou. »Sie war die Freundin von einem der Typen. Wir wollten keine Mädels, aber sie klammerte dermaßen, daß wir sie mitgenommen haben.«
    »Was hat sie gemacht?«
    »Sie war diejenige, die das Benzin verteilt hat. Das hat ihr viel Spaß gemacht.«
    »Ganz entschieden.«
    »Ja«, sagte Roubaud.
    »Und dann?«
    »Nachdem der Typ in seinem Erbrochenen lag und telefoniert hat, haben wir sie beide nackt mit ihren Sachen rausgeworfen und sind noch ordentlich zechen gegangen.«
    »Schöner Abend«, kommentierte Adamsberg. »So was muß begossen werden.«
    »Ehrenwort, das hat mir gereicht. Ich hab damit nie wieder was zu tun gehabt und auch die Typen nie wiedergesehen. Die Kohle kam wie abgemacht mit der Post, danach hab ich nie wieder was davon gehört.«
    »Bis diese Woche.«
    »Ja.«
    »Als du die Opfer wiedererkannt hast.«
    »Nur den, den und die Frau«, sagte Roubaud und zeigte auf die Fotos von Viard, Clere und Bardou. »Ich hatte sie ja nur einen Abend gesehen.«
    »Hast du sofort begriffen, was los war?«
    »Erst nach dem Mord an der Frau. Ich hab sie erkannt, weil sie lauter Leberflecken im Gesicht hatte. Da habe ich mir die Fotos der anderen angesehen und hab's kapiert.«
    »Daß er zurückgekommen ist.«
    »Ja.«
    »Weißt du, warum er die ganze Zeit gewartet hat?«
    »Nein, ich kenne ihn nicht.«
    »Weil er danach fünf Jahre im Knast gesessen hat. Seine Freundin, das Mädchen, das ihr verrückt gemacht habt, ist einen Monat später aus dem Fenster gesprungen. Verdau das, Roubaud, wenn du nicht schon genug zu verarbeiten hast.«
    Adamsberg erhob sich und riß das Fenster ganz auf, um Atem zu schöpfen und den Gestank von Schweiß und Grauen zu vertreiben. Er lehnte sich einen Moment ans Geländer und blickte auf die Leute hinunter, die über die Straße liefen und nichts von dieser Geschichte wußten. Viertel nach sieben. Der Pestbereiter schlief noch immer.
    »Warum hast du Angst, wo er doch hinter Gittern sitzt?« fragte er, als er sich umwandte.
    »Weil er es nicht ist«, keuchte Roubaud. »Sie sitzen so was von im falschen Boot! Der Kerl, den wir gefoltert haben, war ein großer Schwächling, den man mit einem Stups umgeworfen hätte, ein erbärmlicher Wicht, ein Waschlappen, so ein Intellektueller, der hätte nicht mal eine Wäscheklammer stemmen können. Der Typ, den sie im Fernsehen gezeigt haben, ist muskulöser, kräftiger, die haben nichts miteinander zu tun, das können Sie mir glauben.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher. Der Kerl hatte ein Spatzengesicht, daran erinnere ich mich sehr gut. Er läuft noch immer draußen rum und lauert mir auf. Ich hab Ihnen jetzt alles gesagt, ich beantrage Personenschutz. Aber Ehrenwort, ich habe nichts gemacht, ich hab nur...«
    »Den Rückweg gesichert, ich habe verstanden, müh dich nicht. Aber glaubst du nicht, daß sich ein Mann in fünf Jahren Knast verändern kann? Vor allem, wenn er von Rachegedanken wie besessen ist? Glaubst du nicht, daß man Muskeln, anders als Hirnzellen, aufbauen kann? Und daß du zwar genauso blöde geblieben bist, er sich aber aus eigenem Antrieb verändert hat?«
    »Um was zu machen?«
    »Um die

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