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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gesessen und bist vor zweieinhalb Jahren rausgekommen«, las Adamsberg ihm aus seinen Notizen vor. »Anklage wegen vorsätzlicher Tötung. Deine Freundin ist aus dem Fenster gestürzt.«
    »Sie ist gesprungen.«
    »Genau das hast du beim Prozeß wie ein Automat ständig wiederholt. Die Nachbarn haben ausgesagt. Sie haben gehört, daß ihr euch über Wochen wie Hunde angebrüllt hattet. Ein paarmal hätten sie beinahe die Bullen geholt. Das Motiv für die Streitigkeiten?«
    »Sie war seelisch gestört. Sie hat die ganze Zeit geschrien. Sie ist gesprungen.«
    »Du bist hier nicht im Gerichtssaal, Damas, und dem Prozeß wird nie wiederaufgerollt. Du kannst die Platte wechseln.«
    »Nein.«
    »Hast du sie gestoßen?«
    »Nein.«
    »Heller-Deville, hast du diese vier Typen und die Frau letzte Woche umgebracht? Hast du sie erdrosselt?«
    »Nein.«
    »Kennst du dich mit Schlössern aus?«
    »Das hab ich gelernt.«
    »Haben diese Typen und dieses Mädchen dir was angetan? Hast du sie umgebracht? Wie deine Freundin?«
    »Nein.«
    »Was hat dein Vater gemacht?«
    »Kohle.«
    »Was hat dein Vater mit deiner Mutter gemacht?«
    Erneut preßte Damas die Lippen zusammen.
    Das Telefon klingelte, und Adamsberg hatte den Untersuchungsrichter am Apparat.
    »Hat er geredet?« fragte der Richter.
    »Nein. Er blockt ab«, erwiderte Adamsberg.
    »Besteht die Aussicht, daß er bald redet?«
    »Nicht die geringste.«
    »Was ist mit der Hausdurchsuchung?«
    »Ergebnislos.«
    »Beeilen Sie sich, Adamsberg.«
    »Nein. Ich möchte einen Haftbefehl, Herr Richter.«
    »Kommt nicht in Frage. Sie haben nicht den geringsten Beweis. Bringen Sie ihn zum Reden, oder lassen Sie ihn frei.«
    »Viguier ist nicht sein richtiger Name, sein Ausweis ist gefälscht. Es handelt sich um Arnaud Damas Heller-Deville, fünf Jahre Haft wegen Totschlags. Reicht Ihnen das nicht als Verdachtsmoment?«
    »Keineswegs. Ich erinnere mich sehr gut an den Fall Heller-Deville. Er wurde verurteilt, weil die Zeugenaussagen der Nachbarn die Geschworenen beeindruckt haben. Aber seine Version hatte genauso Hand und Fuß wie die der Anklage. Es kommt nicht in Frage, ihm eine Pest anzuhängen, nur weil er gesessen hat.«
    »Die Schlösser wurden von einem Fachmann geöffnet.«
    »Wenn ich nicht irre, haben Sie dort auf dem Platz so viele ehemalige Häftlinge, daß Sie gar nicht mehr wissen, was Sie mit all denen machen sollen, oder? Ducouèdic und Le Guern kommen genauso in Frage wie Heller-Deville. Seine Resozialisierungsberichte sind alle ausgezeichnet.«
    Richter Ardet war ein ebenso entschiedener wie sensibler und vorsichtiger Mann, seltene Eigenschaften, die Adamsberg an diesem Abend aber nicht entgegenkamen.
    »Wenn man den Typen wieder freiläßt«, wandte Adamsberg ein, »garantiere ich für nichts mehr. Er wird erneut morden oder uns entwischen.«
    »Kein Haftbefehl«, schloß der Richter nachdrücklich. »Oder Sie sorgen dafür, daß vor morgen abend halb acht Beweise vorliegen. Beweise, Adamsberg, nicht konfuse Intuition. Beweise. Ein Geständnis zum Beispiel. Gute Nacht, Kommissar.«
    Adamsberg legte auf und schwieg lange; keiner wagte, ihn zu stören. Dann löste er sich von der Wand und ging mit gesenktem Kopf und verschränkten Armen im Raum umher. Danglard sah, wie unter der braunen Haut seiner Wangen und der Stirn der eigenartige Funke seiner Konzentration zu glimmen begann. Sosehr sich Adamsberg auch konzentrieren mochte, er würde keinen Hebel finden, um Arnaud Damas Heller-Deville knacken zu können. Denn Damas hatte vielleicht seine Freundin umgebracht und seine Papiere gefälscht, aber Damas war nicht der Pestbereiter. Wenn dieser Kerl mit seinem leeren Blick Latein konnte, würde er, Danglard, sein Hemd fressen. Adamsberg ging hinaus, um zu telefonieren, und kam dann zurück.
    »Damas«, begann er erneut, zog einen Stuhl heran und setzte sich nah zu ihm. »Damas, du verbreitest die Pest. Seit mehr als einem Monat wirfst du diese Anzeigen in die Urne von Joss Le Guern. Du züchtest Rattenflöhe, die du unter der Tür deiner Opfer aussetzt. Diese Flöhe tragen die Pest in sich, sie sind infiziert und beißen. Die Leichen weisen die Spuren ihrer tödlichen Bisse auf, und die Körper sind schwarz. Tod durch Pest, bei allen fünfen.«
    »Ja«, erwiderte Damas. »Das haben die Journalisten geschrieben.«
    »Du malst die schwarzen Vieren. Du schickst die Flöhe. Du mordest.«
    »Nein.«
    »Eine Sache mußt du kapieren, Damas. Die Flöhe, die du transportierst,

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