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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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sie fanden? Und wo?«
    Ich öffnete die Fahrertür und ließ mich auf den Sitz fallen.
    »Ich werde drüber nachdenken. Jetzt entschuldigen Sie mich.«
    Grinsend beobachtete ich den verdutzten Lokalreporter im Rückspiegel, der mir nachsah, bis ich um die Ecke bog.

7
    Vor dem Schloss parkte ein Audi mit Blaulicht auf dem Dach. Die Haustür stand halb offen.
    »Hallo?«, rief ich in das Dunkel der Eingangshalle.
    »Frau Laverde?« Kommissarin Gelbach kam mir entgegen und blieb auf der Schwelle stehen. »Gut, dass Sie kommen.«
    »Gibt es was Neues?«
    »Wir haben einen Anruf aus der Klinik bekommen. Der Zustand der Gräfin ist stabil. Sie hat eine Chance durchzukommen.«
    Das mochte heißen: eine Chance, am Leben zu bleiben. Aber zu welchem Preis, mit welchen Einschränkungen, das blieb im Dunkeln.
    »Ich lag selbst einmal lange im Krankenhaus. Mit sehr schweren Verletzungen«, murmelte ich. Es ging Martha Gelbach nichts an, aber die Worte platzten von selbst aus mir heraus. So viel zum Thema Druck.
    Ich war im Jahr 2005 bei einem Bombenanschlag in Scharm al-Scheich schwer verletzt worden. Die zerschundene rechte Seite meines Körpers erzählte meine Erlebnisse drastischer, als ich es je hätte tun können. Man hatte mir ein neues Hüftgelenk eingesetzt, die Risse und klaffenden Wunden an Bauch und Oberschenkel vernäht und später auch das Knie operiert. Mit einer Sepsis schwebte ich wochenlang zwischen Leben und Tod. Nun ging es der Gräfin nicht anders. Kopfverletzungen schienen mir nur noch teuflischer. Im Kopf war das ganze Leben verstaut. Jede noch so kleine Zerstörung ließ sich weniger leicht heilen als eine zerschossene Hüfte.
    Martha Gelbach sah mich freundlich an. »Frau von Rothenstayn ist in diesem Zimmer hier niedergeschlagen worden.« Die Kommissarin wies durch die Eingangshalle auf die Tür zum Grünen Salon. Sie war versiegelt. »Jede Menge Blut zeugt davon. Dann hat ihr Angreifer sie durch die Haustür geschleift und in den Park gezerrt. Sehen Sie die Schleifspuren?«
    Ein Teil des Vestibüls war mit rot-weißen Bändern abgesperrt. Auf dem Steinboden sah ich dunkle Schlieren.
    »Die Gräfin wurde schon durch den ersten Schlag ausgeknockt«, fuhr Martha Gelbach fort. »Ihre Verletzung ist auf einen einzigen, mit äußerster Kraft ausgeführten Hieb zurückzuführen.«
    »Womit hat er sie niedergeschlagen?«
    »Wir haben noch keine Tatwaffe. Haben Sie gute Nerven?«
    Ich starrte die Kommissarin verblüfft an.
    »Umso besser. Kommen Sie.« Martha Gelbach hob das Absperrband ein Stück an und schlüpfte darunter durch. Ich kam ihr nach. Sie schlitzte das Siegel auf und öffnete die Tür zum Grünen Salon. Die Gräfin nannte ihn wegen der grün gestrichenen Wände so. Er war einfach ein Wohnraum, der nie benutzt wurde. Alles wirkte steril, wie im Möbelhaus: Ecksofa, Anrichte, Stehlampe. Als habe jemand diese Möbel bestellt und dann keine Verwendung für sie gehabt.
    Gänzlich unsteril wirkte jedoch das Blut am Boden. Larissa hatte so viel Blut verloren, dass Reste davon immer noch feucht waren. Sogar an den Wänden sah ich dunkle Spritzer. Es roch nach Metall und gleichzeitig irgendwie süß. Ein Sessel war verschoben und stand mit der Lehne zum Couchtisch weisend.
    »Kennen Sie dieses Zimmer in seinem Normalzustand?«
    »Die Gräfin hat mich am Sonntag durch das Schloss geführt. Ich habe hier kurz die Nase reingesteckt.«
    »Ist heute etwas anders als am Sonntag?«
    »Das Blut war nicht da, und der Sessel«, ich deutete mit dem Finger darauf, »stand so, wie Sessel normalerweise stehen: mit der Sitzfläche zum Tisch.«
    »Sonst?«
    Ich ließ den Blick schweifen. Zwei Ölbilder hingen dem Fenster gegenüber, düstere Herbstmotive, die dem Grün der Wände noch mehr Strahlkraft gaben. Ein kleiner Kalender war direkt neben der Tür an die Wand genagelt. ›Sonnenapotheke Rothenstayn‹ stand darauf und zeigte für August ein buntes Blumenaquarell.
    »Stand etwas auf dem Büffet, als Sie am Sonntag hier hereinsahen?«
    »Ich glaube nicht … «
    »Denken Sie nach.«
    Ich schloss die Augen für ein paar Sekunden. Aber zu genau wusste ich, wie wenig man sich an Dekorationsstücke erinnerte. Was nicht auffällig genug war, empfand das Gehirn als nebensächlich.
    »Ich glaube nicht«, wiederholte ich, »aber es kann sein, dass dort etwas stand.«
    »Ungewöhnlich, so ein leergefegtes Büffet«, sagte Martha Gelbach. »Für mich schreit diese Fläche geradezu danach, etwas aufzustellen. Um dieser Seite des

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