Flirte nie in Italien
ihn vom Gegenteil zu überzeugen."
"Darauf kannst du warten, bis du alt und grau bist." Angies Erklärung befremdete Baptista so sehr, dass sie sie unwillkürlich duzte. "Ich wundere mich allerdings, dass du dir vorschreiben lässt, was du zu tun und zu lassen hast.
Warum machst du nicht einfach, was du für richtig hältst, und beweist ihm auch ohne seine ausdrückliche Aufforderung, wie sehr er sich in dir irrt?"
"Nichts würde ich lieber tun", gestand Angie rundheraus. "Wenn ich nur wüsste, wie!"
"Daran soll es nicht scheitern", erwiderte Baptista lächelnd. „Ich hätte da schon eine Idee."
6. KAPITEL -
Montedoro war in dichten Nebel gehüllt, und die wenigen Einwohner, die den Winter über in der Höhe ausharrten, hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen, um, der Kälte zu entfliehen.
Doch kaum hatten Arbeiter damit begonnen, den Lastwagen abzuladen, den sie mühsam durch die engen Gassen zum Haus von Dr. Fortuno gesteuert hatten, bildete sich eine Menschentraube und musterte argwöhnisch die zierliche junge Frau, die den Möbelträgern Anweisungen gab.
"Wer ist das denn?" raunte jemand misstrauisch.
"Unsere neue Ärztin", erhielt er zur Antwort.
"Machst du Witze? Die ist doch nicht älter als meine Tochter."
"Was will sie denn mit dem ganzen modernen Krimskrams?" fragte ein anderer mit Blick auf die medizinischen Geräte, die in die Praxis getragen wurden.
"Doktor Fortuno ist doch auch ohne so etwas ausgekommen."
"Der hat seit seinem Studium ja auch kein einziges Fachbuch mehr angerührt", wurde ihm erklärt.
"Ist seine Nachfolgerin denn verheiratet?" erkundigte sich ein Dritter mit Blick auf das große Bett aus Nussbaumholz.
"Nicht, dass ich wüsste", lautete die Antwort.
Nachdem der Laster wieder gefahren war, trat Angie auf die Menge zu.
"Vielleicht erinnert sich der ein oder andere von Ihnen noch an mich", erklärte sie in fließendem Italienisch. Im vergangenen Sommer war ich schon einmal hier. Ich bin Doktor Fortunos Nachfolgerin und möchte Sie einladen, sich die neue Praxis anzusehen."
Ein Blick in die Mienen der Menschen ließ Angie erahnen, dass sie einen sehr schweren Stand haben würde. Denn das Misstrauen der Fremden gegenüber schien die Neugier auf den Neuankömmling bei weitem zu überwiegen.
„Wo ist Doktor Fortuno?" erkundigte sich jemand.
„Er ist zu seiner Schwester nach Neapel gezogen", erklärte Angie nervös.
"Und wann kommt er zurück?"
"Gar nicht. Ab sofort werde ich Sie ärztlich versorgen."
Die Reaktion der Bewohner von Montedoro war niederschmetternd. Sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten aufgeregt, und keiner kam Angies Aufforderung nach, sich von ihr die Praxis zeigen zu lassen.
Traurig ging sie ins Haus zurück, als plötzlich ein Schatten an der Tür auftauchte. Doch ihre Hoffnung, dass ihre zukünftigen Patienten es sich anders überlegt hatten, zerschlug sich im selben Moment, in dem sie den Besucher erkannte.
„Was, zum Teufel, tust du hier?" fragte Bernardo teils wütend, teils empört.
Als Angie seinen Gesichtsausdruck bemerkte, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Wenn man ihn so sah, fiel es schwer, zu glauben, dass dieser Mann sie angeblich liebte. Doch ebenso schnell fing sie sich wieder. Dass es nicht leicht werden würde, hatte sie schließlich von Anfang an gewusst.
"Ich richte meine neue Praxis ein", erwiderte sie selbstbewusst. "Es dürfte sich bis zu dir herumgesprochen haben, dass Doktor Fortuno in den Ruhestand gegangen ist."
"Das hat es in der Tat“, reagierte Bernardo ungehalten. "Mich interessiert eher, warum ausgerechnet du seine Nachfolge antrittst."
„Spricht etwas dagegen?"
„Mehr, als du glaubst." Seine Miene verfinsterte sich zunehmend. "Deshalb ist es das Beste, wenn du umgehend wieder verschwindest."
"Die Entscheidung, was ich tue und lasse, solltest du getrost mir überlassen."
"Warum begreifst du nicht endlich, dass du dem Leben hier oben nicht gewachsen bist?" hielt er ihr wutentbrannt entgegen.
"Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich sträflich unterschätzt", entgegnete Angie bestimmt.
"Und ich habe dir schon einmal gesagt, dass die Uhren bei uns anders gehen als bei euch in England. Die Leute werden eine Frau als Ärztin nie und nimmer akzeptieren. Bis es so weit ist, vergehen noch einige Jahrzehnte. Also schlag dir das Ganze endlich aus dem Kopf. Und für den Fall, dass du dich uneinsichtig zeigst, werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass du Montedoro auf der Stelle wieder verlässt.
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