Flirte nie in Italien
Angie betrachtete, verriet deutlich, wie sehr er sich nach ihr gesehnt hatte. "Du warst noch nie so schön wie heute."
Verlegen senkte Angie den Blick. Obwohl sie sich über das Kompliment freute, ertappte sie sich bei der Hoffnung, dass Bernardo es ihr auch dann gemacht hätte, wenn sie weniger elegant gekleidet gewesen wäre als mit dem beigefarbenen schulterfreien Seidenkleid.
Doch die Fahrt zur Villa war zu kurz, um mehr über Bernardos wahre Gefühle herauszufinden, und auch bei dem anschließenden Empfang ergab sich keine Möglichkeit dazu, obwohl sie nebeneinander saßen.
Ein einziges Mal beugte sich Bernardo zu ihr hinüber, um ausgerechnet jenes Thema anzusprechen, das Angie aus gutem Grund fürchtete.
"Wie ich höre, arbeitest du jetzt in der Klinik deines Vaters", sagte er betont beiläufig.
"Das stimmt", erwiderte Angie trotzig. „Er ist ein brillanter Chirurg, und ich lerne täglich etwas dazu."
"Das freut mich für dich", gratulierte Bernardo mit beißender Ironie. "Dann steht deiner Karriere ja nichts mehr im Weg."
Seine herablassende Art brachte Angie vollends in Rage. "Tu nicht so scheinheilig!" platzte sie heraus, ohne Rücksicht darauf, dass ihre Tischnachbarn jedes Wort verstehen konnten.
"Sag doch gleich, dass ich zu nichts anderem tauge, als mir mit dem Geld meines Vaters ein schönes Leben zu machen."
"Bitte lass uns die wenigen Stunden, die wir haben, nicht auch noch streiten", versuchte Bernardo, sie zu beschwichtigen.
Womit er jedoch das genaue Gegenteil erreichte. "Wir haben alle Zeit der Welt", entgegnete Angie wütend. "Das ganze Leben, wenn du willst."
Bernardo blieb es erspart, etwas zu erwidern, weil im selben Moment ein Tusch ertönte und eine schier endlose Reihe von Toasts und Glückwünschen hervorgebracht wurde, bevor Renato und Heather unter den bewundernden Blicken der Gäste mit dem Hochzeitswalzer den geselligen Teil des Abends einleiteten.
"Schön, dich wieder zu sehen, Angie. Möchtest du mit mir tanzen?"
Als sie aufsah, blickte sie in Lorenzos Gesicht, der jungenhaft lächelte. Wie Heather gesagt hatte, schien es ihn tatsächlich nicht im Geringsten zu bedrücken, dass seine ehemalige Verlobte seinen Bruder heiratete.
"Gern", erwiderte Angie und wollte Lorenzo die Hand reichen, als plötzlich ein Arm vorschnellte und sie zurückhielt.
"Es tut mir Leid, Lorenzo", sagte Bernardo bitter, "aber ich fürchte, du musst dich nach einer anderen Tanzpartnerin umsehen."
Sein Bruder nahm es lächelnd hin und wandte sich umgehend an eine Frau am Nebentisch. Bernardo stand auf und führte Angie zur Tanzfläche. Als sie sich gegenüberstanden und im Takt der Musik wiegten, spürte sie, dass er am ganzen Körper leicht zitterte, und seinen Augen konnte sie etwas ablesen, was er ihr zu sagen nie gewagt hätte. Sollte sie je Zweifel daran gehabt haben, dass er sie noch immer liebte, so waren sie ein für alle Male ausgeräumt.
Doch ebenso deutlich war ihm anzumerken, wie sehr ihn seine Liebe zu ihr bedrückte. "Es war ein Fehler, dass du gekommen bist", sagte er gequält. "Deine Nähe macht mich schwach und hilflos. Und das kann und will ich nicht zulassen. Auch wenn ich mich nach dir gesehnt habe."
"Warum sträubst du dich so gegen dein Glück - unser Glück?"
"Weil das, was du für unser Glück hältst, unser Unglück wäre", erwiderte er bitter. "Du bist jung und unbeschwert. In Montedoro würdest du dich eingesperrt fühlen wie ein Vogel im Käfig. Und bei der erstbesten Gelegenheit würdest du wieder davonfliegen."
"Wie wenig du mich doch kennst, Bernardo", entgegnete Angie. "Wie könnte ich mich eingesperrt fühlen, solange du bei mir bist?"
"Mach es mir bitte nicht so schwer, Angie. Glaub mir, ic h weiß, wovon ich spreche."
Wie wenig er von seinen eigenen Worten überzeugt war, bewies die Tatsache, dass seine Hände das genaue Gegenteil sagten, denn er zog Angie fest an sich, als wollte er sie nie wieder gehen lassen. Seinem Gesicht war die innere Zerrissenheit, in der er sich befand, deutlich anzusehen.
Instinktiv wusste Angie, dass es lediglich eines winzigen Anstoßes bedurfte, um eine endgültige Entscheidung herbeizuführen - in diese oder jene Richtung.
Kurz entschlossen löste sie sich von ihm, nahm seine Hand und führte Bernardo wortlos hinaus auf die Terrasse.
"Angie..."
"Küss mich lieber", schnitt sie ihm das Wort ab und legte ihm die Arme um den Nacken.
Noch war sein Widerstand nicht gebrochen, und um das
Überraschungsmoment nicht ungenutzt
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