Flirtverdacht Roman
»Lexi Garrett, Ihr erster Termin, ist da.«
Ich sah sie misstrauisch an. »Ist mit ihr alles in Ordnung?«
Hadleys Miene entspannte sich. »Oh, ja. Nein. Ich meine, es geht ihr gut.«
Ich nickte. »Okay, dann schicken Sie sie einfach rein.«
Doch Hadley rührte sich nicht. Dabei ist das eigentlich der Moment, in dem sie sich sonst immer rührt, nickt, freundlich lächelt und sich aus dem Staub macht, um sich weiter mit dem zu befassen, mit dem sie gerade beschäftigt war. Doch diesmal blieb sie einfach in der Tür stehen und starrte mich ausdruckslos an.
»Was ist denn los?«, fragte ich.
Hadley suchte nach Worten, trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Diese Auftraggeberin«, setzte sie an, während ihre großen braunen Augen meinem Blick auswichen. »Sie ist sehr jung.«
Diese liebenswerte Naivität brachte mich zum Lachen. »Oh, das spielt doch keine Rolle, Hadley. Es kommen durchaus auch jüngere Frauen zu uns. Lauren zum Beispiel hatte vor wenigen Monaten einen Fall, bei dem uns eine Studentin beauftragt hatte. Die war auch erst um die zwanzig.«
»Nein.« Hadley schüttelte nachdrücklich den Kopf, und ich hätte schwören können, dass ihre Stimme eiskalt wurde. »Ich meinte damit, sie ist noch ein Kind .«
8
Kinderspiel
In diesem Job habe ich schon manches gesehen. Doch auf das, was mich nun erwartete, war selbst ich nicht vorbereitet.
Das Mädchen, das mein Büro betrat, konnte nicht viel älter als zwölf sein. Höchstens dreizehn. Doch in ihren Augen lag die Lebenserfahrung einer Vierzigjährigen. Sie war klein und schmal, der übergroße schwarz-rote Rucksack auf ihren Schultern wirkte, als hätte er doppelt so viel Gewicht wie sie selbst. Auf beiden Wangen hatte sie Kratzer, wie man sie bekommt, wenn man auf Bäume steigt, über verbotene Mauern klettert oder in der Pause mit Jungs Fußball spielt. Unter allen anderen Umständen hätte ich den Anblick irgendwie liebenswert gefunden. Ein junges Mädchen, ganz allein in der großen Stadt Los Angeles unterwegs, nur mit einem Rucksack und den draufgängerischen Schrammen. Aber in diesem Moment dachte ich nur daran: Was um alles in der Welt will sie hier?
Sprachlos, wie ich war, bot ich ihr nicht einmal einen Platz an, doch es stellte sich sofort heraus, dass sie keine Einladung brauchte. Sie schlenderte selbstbewusst durch die Tür und setzte sich ohne Zögern auf die weiße Chenille-Couch in der Zimmerecke. Dann streifte sie die Riemen des riesigen Rucksacks ab, den sie zu ihren Füßen abstellte. Die Kleine sah zu mir auf, ohne eine Spur von Verzweiflung oder Nervosität, denen ich auf dieser Couch normalerweise begegnete. Andererseits war das hier ganz offensichtlich kein normaler Elf-Uhr-Termin. Das hier drohte erheblich komplizierter zu werden.
Zunächst war ich fest überzeugt, dass die Kleine in meiner Agentur am falschen Platz war. Dass sie die falsche Nummer gewählt oder sich die falsche Anschrift notiert hatte.
Also beschloss ich, mich ahnungslos zu geben. Nur so konnte ich erreichen, dass sie mir erzählte, was sie hier wollte, ohne selbst irgendwelche Informationen über die Agentur preisgeben zu müssen. Ich lächelte freundlich, nahm mir meinen Notizblock vor und setzte mich auf den passenden weißen Sessel gegenüber der Couch. »Hallo«, sagte ich fröhlich, nachdem ich die anfängliche Sprachlosigkeit überwunden hatte. »Wie geht’s?«
Ihre Miene zeigte keine Regung. Sie erwiderte mein Lächeln nicht. Und sie reagierte auch nicht auf meinen Versuch, Smalltalk zu machen. Sie sah mir nur fest in die Augen, ohne eine Spur von Angst oder Sorge, und erklärte unmissverständlich: »Ich weiß, was Sie denken, aber glauben Sie mir, es gibt einen guten Grund, weshalb ich hier bin.«
Ich schluckte heftig und versuchte, mein starres Lächeln beizubehalten. »Und der wäre?« Ich tröstete mich damit, dass die Antwort auf diese Frage auf keinen Fall mit Ehebruch zu tun haben würde. Oder mit irgendeiner anderen der Verdächtigungen, die in diesen vier Wänden regelmäßig ausgesprochen werden.
Doch offenbar lag ich da falsch.
»Sie müssen beweisen, dass mein Dad fremdgeht.«
Ich hustete laut, weil mir vor Fassungslosigkeit fast die Luft wegblieb. »Entschuldige bitte«, brachte ich zustande, nachdem ich endlich den imaginären Hühnerknochen losgeworden war, der mir in der Kehle stecken geblieben war. »Was hast du gerade gesagt?«
»Lassen wir den Quatsch«, verkündete sie allen Ernstes. »Ich weiß ganz genau, was
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