Flirtverdacht Roman
verzichtete auf das Glas und griff direkt nach der Flasche, drehte den Deckel ab und leerte sie mit einem großen Schluck zur Hälfte. »Danke«, stieß ich hervor, als Hadley wieder verschwand.
»Nun, Lexi«, setzte ich an, während ich mir ungeniert den Mund mit dem Handrücken abwischte. »Die Beziehungen von Erwachsenen sind kompliziert, und manches wirkt in den Augen von Kind … – ich meine, von jüngeren Menschen – vielleicht nicht richtig. Aber –«
»Glauben Sie mir«, beharrte sie. »Da läuft was ab. Ich kann es spüren .«
»Ich will gar nicht an deinem Gespür zweifeln«, fuhr ich vorsichtig fort. Wirklich sehr unangenehm, mit der Tochter fremder Leute ein solches Gespräch zu führen. »Aber wäre es nicht möglich, dass dein Vater wirklich nur bis spätabends arbeiten muss und sein BlackBerry beruflich nutzt?«
»Nein«, erwiderte sie kurz und bündig. »Wenn er die Gelegenheit hätte, fremdzugehen, dann würde er das machen. Vielleicht hat er es auch schon getan. Meine Eltern sind schon viel zu lange zusammen, und er langweilt sich mit ihr. Manches weiß man einfach.«
Der entschiedene Tonfall des jungen Mädchens brachte mich ziemlich aus der Fassung, und ich musste tief durchatmen, um die Beherrschung nicht zu verlieren. »Hast du denn schon mit deiner Mutter über deine Befürchtungen gesprochen?«
Sie verdrehte wieder die Augen. »Hunderte von Malen. Sie hört einfach nicht auf mich. Sie vergöttert ihn. Sie glaubt mir nicht mal, wenn ich ihr von den Telefonaten in der Nacht erzähle. Sie behauptet, ich sehe zu viel Gossip Girl .«
»Na ja, vielleicht hat sie ja auch Recht«, sagte ich, legte Notizblock und Stift auf dem Couchtisch ab und faltete die Hände im Schoß. »Fernsehsendungen vermitteln oft den Eindruck, dass viel mehr Menschen fremdgehen, als das wirklich der Fall ist.«
Was redete ich da nur? Ganz im Gegenteil, das Fernsehen wurde der tatsächlichen Statistik nicht mal annähernd gerecht. Aber das konnte ich ihr gegenüber natürlich nicht zugeben.
»Hören Sie bitte auf damit«, flehte mich das Mädchen an, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. »Das höre ich zu Hause schon andauernd. Ich bin hier, weil Sie anderen Leuten helfen, und ich brauche Hilfe. Beziehungsweise meine Mom braucht Hilfe. Ich kann es nicht mehr ertragen, dass sie in dieser Traumwelt lebt. Jemand muss ihr klarmachen, wie er wirklich ist. Jemand muss sie aufwecken.«
»Manche Leute wollen aber nicht geweckt werden«, erwiderte ich nüchtern, während ich mich für diese Heuchelei in Grund und Boden schämte. Denn in Wirklichkeit war genau das der Grund, weshalb ich diesen Job ausübte: Ich wollte andere Leute aufwecken. Weil ich zu dem Schluss gekommen war, dass die Wahrheit immer besser ist als eine Lüge. Auch wenn die Leute sich nur zu gerne etwas anderes vormachen.
Das Mädchen starrte mich gut fünf Sekunden lang durchdringend an, dann bückte sie sich und zog den Reißverschluss an der Vordertasche des Rucksacks auf. Sie holte einen weißen Briefumschlag hervor und knallte ihn auf den Couchtisch zwischen uns. »Hier ist Ihr Honorar. In bar.«
Ich starrte fassungslos auf den Umschlag und überlegte, ob ich überhaupt wissen wollte, wie ein knapp dreizehnjähriges Mädchen an derart viel Geld gekommen war.
»Hören Sie«, fuhr die Kleine fort und unterbrach so meine Gedanken. »Wenn ich falschliege, dann ist ja alles in Ordnung. Sie müssen meiner Mutter nicht mal verraten, dass ich hier war. Aber wenn ich Recht habe und er, Sie wissen schon, auf den Köder anspringt …« Sie verstummte und machte eine theatralische Pause, bevor sie den Satz vollendete. »Dann befreien Sie meine Mutter aus einem Leben der Selbsttäuschung.« Lexi lehnte sich auf der Couch zurück, verschränkte die Arme zufrieden vor der Brust und sah zu, wie ich weiter den mysteriösen weißen Umschlag musterte.
Im Raum herrschte lange Zeit betretenes Schweigen, weil ich mit der Entscheidung kämpfte, die im wahrsten Sinne des Wortes hier vor mir auf dem Tisch lag.
Schließlich nahm ich den Umschlag in die Hand, spürte das schwere Bündel Bargeld zwischen den Fingern, und gab ihn dem Mädchen zurück. »Tut mir leid«, sagte ich sanft. »Aber diesen Fall kann ich einfach nicht übernehmen. Wenn du mit deiner Mutter herkommst, können wir mit ihr alle Möglichkeiten durchsprechen und sie vielleicht überzeugen, dass sie uns selbst beauftragt. Aber ich kann es einfach nicht verantworten, von dir Geld
Weitere Kostenlose Bücher