Flirtverdacht Roman
anderen Menschen zu helfen? So wie ich heute Mrs Langley beistehen wollte, in diesem schwülen, von der Klimaanlage im Stich gelassenen Gerichtssaal im Westchester County.
»Ja.«
»Aha.« Mrs Langleys Anwältin griff zu ihrem Kugelschreiber, um damit während der nächsten Sätze die einzelnen Punkte in der Luft zu unterstreichen. »Der Ablauf war also folgendermaßen: Mrs Langley kommt in Ihr Büro, äußert ihre Sorge darüber, wie ihr Mann sich auf Geschäftsreisen verhält , Sie wählen die Mitarbeiterin aus, die Ihrer Ansicht nach am ehesten seiner Traumfrau entspricht. Dann trifft ihn diese Mitarbeiterin in einer Hotelbar in Seattle, stellt sich ihm mit einem Namen vor, der nicht echt ist, verwickelt ihn in ein Gespräch über frei erfundene Dinge, auf die er aller Erwartung nach ansprechen wird, und wartet ab, ob er mit ihr seine Frau betrügen wird.«
»Wir testen lediglich die Absicht zu betrügen, nicht …«
Der Blick der Anwältin forderte mich unmissverständlich auf, einfach nur Ja zu sagen, damit wir fortfahren konnten.
»Entschuldigung, ja.«
Sie verzog angewidert das Gesicht und schnaubte: »Ist das nicht eine Falle?«
»Einspruch, Euer Ehren«, unterbrach Mr Langleys Anwalt erneut. »Das ist eine Suggestivfrage. Sie versucht, meine Argumentationslinie zu schwächen.«
»Ich stelle lediglich eine Frage, auf die sicher jeder hier im Saal eine Antwort hören möchte«, wandte Mrs Langleys Rechtsanwältin gelassen ein.
Unruhig blickte ich hinüber zur Richterin. Sie schien völlig in die Befragung vertieft zu sein. »Abgelehnt«, entschied sie nach kurzem Zögern. Dann wandte sie sich an mich. »Sie können die Frage beantworten.«
Ich atmete aus, erleichtert, dass ausgerechnet diese Frage nicht unbeantwortet in der Luft bleiben würde. »Nein, das ist keine Falle«, erklärte ich entschieden. Dieser Punkt war mir sehr wichtig. Zwischen einem Test und einer Falle verläuft ein schmaler Grat, und ich ergriff immer sämtliche Vorsichtsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass meine Aktivität auf der richtigen Seite blieb. »Meine Mitarbeiter haben ausdrückliche Anweisung, nur zu reagieren und niemals selbst aktiv zu werden«, fuhr ich fort. »So war es auch bei Mr Langley: Die Mitarbeiterin hatte nicht die Erlaubnis, die Initiative zu ergreifen. Sämtliche Schritte in Richtung weiterer Intimität blieben ausschließlich dem Testobjekt überlassen.« Am Ende des Satzes fiel mir auf, dass meine Stimme ziemlich defensiv klang.
Ich holte tief Luft und ermahnte mich selbst, Ruhe zu bewahren. Ich neige nämlich dazu, mich aufzuregen, wenn jemand das Wort Falle in den Mund nimmt. Nennen wir es meinen wunden Punkt. »Mit anderen Worten«, fuhr ich deutlich ruhiger fort, »Mr Langley hat bewusst die Entscheidung getroffen, seine Frau zu betrügen. Er ist nicht als Opfer in eine Falle getappt.«
Zwei Stunden waren vergangen, seit sich Todd Langley auf den Barhocker neben die schöne, zerbrechliche Keira Summers gesetzt hatte. Mittlerweile hatten sie sämtliche Themen von Religion über Politik bis hin zu Popstars abgehakt. Jetzt saß er schon so dicht neben ihr, dass er wie zufällig ihre nackten Arme und Schultern berühren konnte. Und das hatte er auch getan. Mehrmals. Im Laufe der letzten Stunde sogar beinahe jede Minute. Jeder Scherz, jede geteilte Ansicht, jede vermeintliche Gemeinsamkeit gab in seinen Augen Anlass zu einer flüchtigen Berührung ihrer weichen, makellosen Haut. Er konnte einfach nicht genug davon bekommen.
Und die Tatsache, dass Keira nicht das Geringste dagegen zu haben schien, spornte ihn zu immer weiteren Berührungen an.
Todd gab dem Barkeeper ein Zeichen und wollte noch zwei Gläser Pinot Noir bestellen, doch Keira unterbrach ihn schnell mit einem leicht angesäuselten Kichern: »Ich glaube, ich habe genug.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Außerdem ist es schon spät.«
In Wirklichkeit hätte sie problemlos nochmal so viel trinken können und trotzdem ohne weiteres jeden Polizeibeamten davon überzeugt, dass sie den ganzen Abend nur Mineralwasser zu sich genommen hatte. Für ihren Job war es unerlässlich, viel Alkohol zu vertragen. Das Mädchen, das schon nach zwei Gläsern Wein beduselt, albern und hemmungslos wurde, war nur ein Trugbild. Die Verkörperung von allem, was Todds Ehefrau nicht war.
»Wieso? Wie spät ist es denn?«, fragte er.
»Viertel vor zwölf«, erwiderte Keira, während sie ihre Sachen zusammensuchte und den Barhocker zurückschob. »Ich muss
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