Flirtverdacht Roman
gern – meine Hand küssen. So wie es in Historienfilmen gemacht wird, in denen die Frauen lange, wallende Kleider tragen, die Gesichter von straffen Korkenzieherlocken umrahmt, während sich die Männer im Frack jedes Mal respektvoll verneigen, wenn sie einen Raum betreten. Anfangs war es nur ein Spaß gewesen. Seit wir uns einmal Stolz und Vorurteil auf DVD ausgeliehen hatten, kamen von ihm Sprüche wie: »Aber natürlich, meine Teuerste« in einem wirklich lächerlichen Tonfall, worauf er sich dann verneigte und meine Hand küsste. Später wurde jedoch mehr daraus als nur ein Spaß. Es wurde irgendwie unser Markenzeichen.
Klar war die Geste ziemlich altmodisch und wahrschein lich auch sexistisch. Und dennoch, immer, wenn Jamie mir die Hand küsste, fühlte ich mich irgendwie besonders schön … und geliebt.
Es war wie ein stummer Zauber zwischen uns.
Ich wartete auf die vertraute Berührung seiner Lippen auf meiner Haut. Doch einige Augenblicke verstrichen, und nichts geschah. Und als ich zu ihm aufsah, bemerkte ich, dass Jamie keine Anstalten mehr machte, mir die Hand zu küssen, sondern sie auf merkwürdige Weise vor sein Gesicht hielt, als würde er meine Haut nach verräterischen Altersflecken absuchen.
»Was ist los?«, fragte ich und warf ihm einen komischen Blick zu, während ich versuchte, unauffällig meine Hand wegzuziehen.
Doch Jamie hielt sie fest und starrte weiter fragend auf meine Finger. »Wo ist dein Verlobungsring?«, wollte er schließlich wissen.
Ich brauchte keinen Spiegel, ich war mir auch so sicher, dass mein Gesicht kreidebleich geworden war. Auf einen Schlag verließ mich alle Kraft, mit der ich versucht hatte, meine Hand aus seiner festen Umklammerung zu lösen, und mein ganzer Arm fiel schlapp auf sein Bein.
Mein Gehirn spielt im Schnelldurchlauf sämtliche Episoden des heutigen Tages durch.
An der Valetstation vor dem Büro hatte ich ihn abgenommen und in das übliche Innenfach meiner Tasche gesteckt. Meine Augen schossen Richtung Esszimmer und landeten auf meiner Louis-Vuitton-Aktentasche, die bei meiner erschöpften Heimkehr am heutigen Abend auf einem der Stühle gelandet war.
Scheiße, Scheiße, Scheiße!
Dieser Anruf von Willa Cruz auf dem Heimweg hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Ich steckte meinen Ring sonst immer wieder an, nachdem ich in der Garage geparkt hatte. Doch vor lauter Verzweiflung und Entsetzen wegen des Gesprächs über den Hochzeitsort hatte ich es einfach vergessen.
»Ääähh«, setzte ich unsicher an und deutete nach nebenan. »Er steckt in meiner Aktentasche.« Dann stemmte ich mich hoch und wollte aufstehen. »Ich hole ihn schnell!«
Doch Jamies Hand landete entschieden auf meinem Oberarm, und mir wurde klar, dass ich sitzen bleiben sollte. »Wieso ist er in deiner Tasche und nicht an deinem Finger?«
Ich überlegte fieberhaft, wie ich am besten sagen sollte, was ich sagen wollte. »Weil ich ihn abgenommen habe … im Büro.«
Im Zimmer wurde es still. Das einzige Geräusch war der Moderator, der einen übergewichtigen Kandidaten fragte, ob er einen Deal machen wolle oder nicht. Doch nach einer Runde Applaus und Gejohle des Studiopublikums nahm Jamie endlich die Fernbedienung und schaltete den Ton ab.
Jetzt herrschte absolutes Schweigen. An die Nerven gehendes Schweigen. Da war mir der Fernseher eindeutig lieber gewesen.
Nach einer langen Pause fragte Jamie: »Und wieso hast du ihn im Büro abgenommen?«
»Na ja«, setzte ich vorsichtig an. »Ich fand es unpassend, ihn bei der Arbeit zu tragen, einfach wegen der Art meines Jobs. Du weißt schon, wegen der Treuetests. Also habe ich den Ring immer abgenommen, wenn ich im Büro ankam, und wieder angesteckt, sobald ich nach Hause gekommen bin.«
»Offenbar nicht sobald du nach Hause gekommen bist«, bemerkte er ziemlich kühl, während er mit dem Kopf auf meine leere Hand deutete.
»Stimmt«, gab ich bereitwillig zu. »Heute habe ich es leider vergessen, aber nur deshalb, weil ich so einen schlimmen Tag hinter mir habe. Ich musste sämtliche Hebel in Bewegung setzen, damit die Anklage gegen Shawna fallengelassen wurde, und dann hatte ich auf dem Heimweg diesen absolut nervtötenden Anruf wegen …«
»Ja, Willa Cruz hat mir erzählt, dass du einfach aufgelegt hast.«
Was? Ich spürte, dass mir meine Empörung anzusehen war.
Willa Cruz hatte ihm erzählt, dass ich aufgelegt hatte? Erstattete sie ihm jeden Abend Bericht oder was?
Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln, bevor
Weitere Kostenlose Bücher