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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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Alexander eigentlich das letzte Mal so richtig gelacht? Oder wann haben wir das letzte Mal so ausgelassen getanzt? Fällt mir gerade nicht ein, muss verdammt lange her sein. Ich merke, wie sich meine Augen mit Tränen füllen und ich immer jammeriger werde. Bevor ich hier vor versammelter Mannschaft losheule, halte ich Onkelchen schnell mein leeres Glas unter die Nase. Er versteht die Aufforderung sofort.
    Jan setzt sich zu uns und sieht mir tief in die Augen. »Na, geht’s dir nicht gut?«
    »Geht schon«, schniefe ich.
    »Nee, ich seh doch, dass du was hast. Was ist denn los?«
    »Alex liebt mich gar nicht. Der denkt nur an sein Geld. So ein Mistkerl.«
    »Ach, komm, das wird schon wieder. Versprochen! Wenn du willst, rede ich auch mit ihm, wenn wir zurück in Lübeck sind. Das ist ja auch alles ein bisschen meine Schuld. Noch einen Wodka?«
    Ich nicke und schniefe, und Jan nimmt mich in den Arm. Ich kuschele mich ein wenig an ihn und wische meine Nase diskret an seinem Pullover ab. So könnte ich jetzt noch stundenlang sitzen bleiben. Vielleicht mache ich das sogar. Ich weiß es nur nicht mehr, denn dann habe ich einen Filmriss.

10 . Kapitel

    I ch bin in Hamburg. Und es ist Hafengeburtstag, Auslaufparade. Direkt vor mir verabschieden sich Queen Mary  II und Queen Elizabeth von den vielen Schaulustigen mit einem ohrenbetäubenden Dauertuten. MÖÖÖHHHHHM , MÖÖÖÖHHHHM ! Ich habe das Gefühl, dass mir vor lauter Lärm gleich der Schädel platzt. Wieder MÖÖÖÖÖHHHHHM , MÖÖÖÖHHHHM ! Wahnsinn, ich muss hier weg, es ist unerträglich. Dann sehe ich Alex. Er winkt mir durch die Menge zu.
    »Tine, hallo, Tine!«
    Ich winke zurück, will auch rufen, aber aus meinem Mund kommt nur ein sehr matter, gequälter Laut.
    »Geht’s dir nicht gut?«
    Komisch, obwohl Alex noch mindestens fünfzig Meter von mir entfernt steht, schafft er es, mich an der Schulter zu rütteln.
    »Hey, Tine, geht’s dir nicht gut?«
    Das ist gar nicht die Stimme von Alex. Es ist … Jan! Ich bin nicht in Hamburg, sondern offenbar immer noch in Kolberg. Verdammt! Ich huste, dann setze ich mich im Bett auf.
    »Was ’n das für ’n Lärm?«, nuschele ich undeutlich.
    »Mein Wecker. Ich habe ihn dir ans Ohr gehalten, anders habe ich dich nicht wach gekriegt.« Jan steht von meiner Bettkante auf, geht zum Fenster und zieht die Vorhänge auf. Helles Licht flutet den Raum. Autsch! Das tut richtig weh!
    »Hey, was soll das? Wieso weckst du mich überhaupt?«
    »Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass wir jetzt alle zur Ostermesse gehen. Von wegen Ostermontag, weißt du? Nicht dass du dich nachher wunderst, wenn keiner mehr da ist.«
    »Aha.« Mehr fällt mir dazu in dieser frühen Stunde nicht ein.
    »Oder willst du mitkommen?«
    »Ich? Auf keinen Fall. Und schon gar nicht im Morgengrauen.«
    »Aber es ist schon halb zehn.«
    Echt? Ach so. Wenn das so ist, dann … dann sollte ich wohl aufstehen, mich anziehen und weiter nach Gerda suchen. Aber im Moment fehlt mir jede Energie. Und der Gedanke, ohne Jan durchs Kurviertel zu stromern, gefällt mir überhaupt nicht. Ich fühle mich wie ein Luftballon, den jemand mit einer Nadel vorsichtig angepikst hat: nicht dramatisch geplatzt, aber schlapp und luftleer. Ich fürchte, ich muss noch ein Stündchen schlafen. Dieses gigantische, maßlose Gefeiere, das bei meinen polnischen Gastgebern unter dem harmlosen Namen »Ostern« läuft, macht mich völlig fertig. Noch so einen Tag überlebe ich mit Sicherheit nicht. Was mache ich nur, wenn das heute so weitergeht? Ich muss kichern. Jan betrachtet mich nachdenklich.
    »Alles ein bisschen viel, hm?«
    Ich nicke. Leider knallt mein Hirn dabei von innen an die Schädeldecke. Autsch!
    »Tine, wir werden sie finden. Wir wissen ja jetzt, wo wir suchen müssen, also ist das nur noch eine Frage der Zeit. Und es geht ihr bestimmt gut. Sie wird in irgendeinem Altenheim sitzen und wegen sehr guter Pflege schon fünf Kilo zugenommen haben.«
    Matt nicke ich mit dem Kopf.
    »Hoffentlich hast du recht.«
    »Tine, glaub mir: Jetzt wird alles gut. Wenn Gerda erst wieder da ist, geht’s ab nach Hause. Und wenn es bei der Polizei trotzdem noch irgendwelche Schwierigkeiten gibt, fragen wir meinen Onkel Tomek um Rat. Der ist Anwalt und kann uns helfen. Also, genau genommen ist er mein Großonkel, oder besser gesagt: der Ex-Mann meiner Großcousine, aber ich nenne ihn immer Onkel, denn meine Cousine …«
    Die restliche Schilderung dieses wie immer komplizierten

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