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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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zu heulen. Und ich habe auf einmal einen riesengroßen Kloß im Hals. Das leichte Gefühl von eben ist verflogen. Ich bin gar nicht die Prinzessin in einem Märchen, ich bin eine Betrügerin.
    Laute Musik reißt mich aus meinen trüben Gedanken. Wo kommt die denn auf einmal her? Was ist denn jetzt schon wieder los?
    Karolina stupst mich in die Seite. »Los, die Band ist da. Dann kommt auch gleich Jan. Am besten, Gerda übergibt dich an ihn. Deine Eltern sind ja nicht da. Leider. Oder soll ich sagen
Zum Glück?
Was Jan so über deinen Vater erzählt …«
    Apropos
übergeben:
Ich glaub, ich muss gleich kotzen. Die ganze Lügerei, Karolina, die ununterbrochen redet, vielleicht auch nur die viel zu enge Korsage – mir ist so hundeelend, dass ich kaum gerade stehen kann.
    »Hey, was ist denn los mit dir?«, will Karolina wissen. »Du bist ja auf einmal ganz blass. Na, das ist die Nervosität. Ganz normal. Aber mach dir keine Sorgen: Wenn es losgeht, beruhigst du dich auch wieder.«
    Ich gucke unschlüssig. Ich will da nicht raus. Im Gegenteil, am liebsten würde ich mich unter der Bettdecke verstecken. Es klopft an der Tür. Erst zaghaft, dann entschlossener.
    »Karolinko, a gdzie się podziała panna młoda? Janek już jest!«
    Małgorzata. Ihre Stimme klingt ungeduldig.
    Karolina schiebt mich Richtung Tür. »Raus aus dem Schlafzimmer und auf in den Kampf!« Dann flüstert sie mir ins Ohr: »Du siehst ganz toll aus – mein Bruder hat wirklich Glück, Schwägerin!«
    Die Tür wird aufgerissen, und sofort ertönen fröhliche
Ahs
und
Ohs
vom versammelten Majewski-Clan. Alle scheinen sich im Flur zu stapeln: Małgorzata, Leszek, Wojtek, Kacper, und, und, und – nur Jan kann ich nirgends entdecken. Dafür steht weiter hinten an der Wohnungstür eine dreiköpfige Combo und schrammelt, was das Zeug hält. Ich drehe mich zu Karolina um, die direkt hinter mir steht und damit wahrscheinlich verhindern will, dass ich mich doch noch unter dem Bett verkrieche.
    »Wo ist denn Jan?«
    »Na, der steht natürlich noch im Hausflur. Der muss dich ja erst mal freikaufen.«
    Hä? Ich drängle mich zur offen stehenden Wohnungstür durch, wo Gerda und Magda schon Stellung bezogen haben, und versuche, nach draußen zu spähen. Tatsächlich, da steht Jan in einem dunkelgrauen Anzug mit einer silbergrauen Weste. Fesch, sehr fesch. Und kaum wiederzuerkennen. Ich winke über die Köpfe der Band hinweg.
    »Huhu, Jan, hier bin ich!«
    Jan hüpft hoch, um mich besser sehen zu können.
    »Hey, Tine, wow! Einen Moment, ich muss hier noch etwas regeln.«
    Ich kann nicht genau sehen, was er macht, und verstehe natürlich auch kein Wort von dem, was er gerade mit dem Klarinettisten bespricht. Jedenfalls drückt er den dreien Gläser in die Hand und zieht etwas aus einem Rucksack. Eine Flasche. Ich ahne schon, was da drin ist. Mit Sicherheit kein stilles Wasser.
    Die Männer lachen und prosten sich zu, dann geben sie den Weg in die Wohnung frei. Jan kommt rein und baut sich mit feierlicher Miene vor Gerda auf.
    »Oma, ich möchte dich bitten – gibst du mir Tine zur Frau?«
    Gerda nickt. »Natürlich, mein Junge.«
    »Dann möchte ich dich um deinen Segen für uns bitten.« Er wendet sich an Magda. »Mutter, auch dich möchte ich um deinen Segen bitten.«
    Magda nickt stumm, wahrscheinlich kämpft sie gerade wieder mit den Tränen. Jan greift nach meiner Hand und zieht mich zu sich. »Komm, wir müssen uns vor den beiden hinknien.«
    Auch das noch. Ich würde keine größeren Geldbeträge darauf verwetten, dass ich in der Korsage überhaupt wieder hochkomme. Ächzend gehe ich in die Knie und lehne mich an Jan, der schon vor Gerda und Magda kniet. Magda legt uns die Hände auf die Köpfe und murmelt etwas, Gerda nickt wohlwollend. Für meinen Geschmack reicht das als Segen völlig, zumal ich merke, wie mir in dieser Haltung langsam die Luft ausgeht. Wenn ich nicht gleich ohnmächtig werden soll, muss ich dringend wieder hoch. Jan scheint das zu merken, jedenfalls rappelt er sich auf und reicht mir, als er wieder steht, die Hände. Er grinst.
    »So, meine Liebste – auf in die Kirche! Bogumił wartet bestimmt schon sehnsüchtig darauf, endlich eine anständige Frau aus dir zu machen.«
    Armer Bogumił. Wenn der wüsste …
     
    Die Kirche ist natürlich nicht so proppevoll wie an Ostern, aber gemessen daran, dass die meisten Gäste eigentlich erst vor drei Tagen von unserer Spontanhochzeit erfahren haben können, ist sie gut gefüllt.

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