Flitterwochen
und betrachte es. Ein Strumpfband. Irgendwo in meinem Hinterkopf macht sich bei diesem Anblick ein Stück Erinnerung auf den Weg an meine Bewusstseinsoberfläche. Ein blaues Strumpfband.
Something old, something new, something borrowed, something blue.
Richtig! Die Hochzeit meiner amerikanischen Gastschwester Tiffany! Ich kann mich noch gut an ihr baiserförmiges Ungetüm von Brautkleid erinnern. Es bestand aus hundert Prozent Polyester in der Ausführung »mit alles« – also Spitzen, Perlen, Stickereien und Reifrock. Dazu noch, ganz wichtig, ein blaues Strumpfband. Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues – das war der wichtigste Brauch, den es laut meiner Gastmutter für eine glückliche Ehe zu beachten galt.
Ob das auch für die deutsche Braut gilt? Keine Ahnung. Ich wollte schließlich auf den Seychellen heiraten, mit deutschen Hochzeitstraditionen hatte ich mich im Vorfeld also nicht weiter beschäftigt. Mit polnischen natürlich noch weniger als gar nicht. Umso erstaunter bin ich jetzt. Sollte es in Polen genau die gleichen Hochzeitsbräuche geben wie in Kalifornien? Gewissermaßen ein grenzüberschreitendes Superbrauchtum? Bevor ich Karolina fragen kann, drückt sie mir noch etwas in die Hand. Eine goldene Kette mit einem hübschen Stein.
»Und die leihe ich dir. Bringt auch Glück.«
Tatsächlich. So muss es sein. »Na, dann brauche ich jetzt nur noch etwas Altes, denn etwas Neues habe ich ja an.«
Überrascht zieht Karolina die Augenbrauen hoch. »Ach, du kennst den polnischen Brauch?«
Ich nicke und entschließe mich spontan, hier mal ein bisschen dicker aufzutragen. »Klar. Ich finde, wenn man einen Polen heiratet, sollte man sich auch ein bisschen mit polnischer Kultur und Tradition auseinandersetzen.«
»Polnische Kultur und Tradition? Oh, das finde ich ja gut. Willst du denn auch Polnisch lernen?«
»Klar. Sobald wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, mach ich einen Kurs.«
Karolina lächelt, ich scheine endlich mal mit etwas bei ihr Gnade gefunden zu haben. Sehr schön! Und wenn es nur ein ausgedachter Sprachkurs ist.
»Und denkst du, ihr werdet eure Kinder bilingual erziehen? Das ist so eine tolle Chance – ich habe meine Magisterarbeit darüber geschrieben.«
»Klar, das finde ich auch richtig gut«, gebe ich ihr recht, so richtig in Gönnerlaune. Jetzt könnte mich Bogumił auch ruhig noch einmal fragen, ob ich schwöre, die Kinder katholisch zu erziehen – ich würde ihm begeistert beipflichten. Ist ja sowieso wurscht. Und jetzt, wo ich beschlossen habe, die ganze Geschichte als großes Märchen zu betrachten, in dem ich zufälligerweise die Rolle der Prinzessin spiele, bin ich deutlich besser gelaunt als in den letzten Tagen. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ich Spaß habe. Man darf einfach alles nicht so ernst nehmen!
Magda kommt ins Schlafzimmer und bleibt neben mir stehen. »Ach, Tine, du siehst so schön aus! Und so schlank!«
Ich nicke huldvoll. Viel mehr Bewegung ist mit der Korsage sowieso nicht drin.
»Setz dich auf das Bett, ich habe etwas für dich mitgebracht. Eine alte Familientradition.«
Wuhu – noch mehr Tradition! Ich setzte mich und gucke gespannt auf die Tüte, die Magda mitgebracht hat. Was da wohl drin ist? Müsste eigentlich etwas Altes sein, denn das fehlt noch bei meinem Outfit. Vorsichtig nestelt Magda am Verschluss der Tüte, dann zieht sie etwas heraus, was ich auf den ersten Blick identifizieren kann. Ein Schleier, glänzend-durchsichtig mit einer edlen, umlaufenden Spitze.
»Oh, der ist aber schön!«
»Er ist schon über hundert Jahre alt. In unserer Familie wird er immer von der Mutter an die Schwiegertochter weitergegeben. Der Tradition zufolge muss ich ihn dir also anstecken.«
Geschickt legt sie den Schleier so zusammen, dass ein großes Dreieck entsteht, dann befestigt sie ihn mit ein paar Haarnadeln unter meinem Dutt, so dass der Stoff sanft über meine Schultern fällt.
»Steh mal auf«, bittet sie mich dann. »Sehr gut, genau so soll es aussehen.« Magda macht einen Schritt auf mich zu und umarmt mich.
»Kochana córeczko, witamy cię w naszej rodzinie. Życzę ci tyle szczęścia i miłości, co i ja miałam w moim małżeństwie.«
Ihre Stimme zittert, und über ihre Wange rollt eine Träne.
Karolina übersetzt für mich. »Sie hat gesagt: Meine liebe Tochter, willkommen in der Familie. Ich wünsche dir so viel Glück und Liebe, wie ich in meiner Ehe gefunden habe.«
Jetzt fängt auch Karolina an
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